Oberstdorf/Seefeld Tödliche Unfälle in Alpen häufen sich

Oberstdorf/Seefeld · Mindestens 20 Menschen sind in diesem Monat in den Alpen verunglückt. Jetzt wurde die Leiche des seit März vermissten Ex-Olympia-Teilnehmers Hermann Buhl gefunden. Eine Ursache für die Unglücke zu finden, ist oft schwierig.

Der ehemalige Hindernisläufer und Olympia-Teilnehmer Hermann Buhl ist bei einer Wanderung in den österreichischen Alpen ums Leben gekommen. Der 78-Jährige wurde seit März vermisst. Laut Polizeiangaben wurde seine Leiche zufällig von einem Wanderer in einer überwucherten Rinne in den Hochalpen bei Seefeld in Tirol gefunden.

Auch in den vergangenen Wochen war es immer wieder zu tödlichen Unfällen in den Alpen gekommen. Erst am Montag sind ein 53-jähriger Mann aus dem Kreis Soest und eine 72-jährige Hessin in den Tod gestürzt. Der 53-Jährige war mit drei Begleitern, allesamt Angehörige, auf einer Höhe von 2500 Metern am Bockarkopf unterwegs. Dort habe es Neuschnee und vereiste Stellen gegeben, teilte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West mit. An einer solchen Stelle stolperte der Wanderer vermutlich und stürzte fast senkrecht rund 250 Höhenmeter in die Tiefe. Seine Begleiter gingen zur nächstgelegenen Berghütte und wurden von dort aus mit einem Helikopter ins Tal geflogen. Die 72-jährige Rentnerin war mit ihrem Sohn und dessen Frau zu einer Wandertour auf dem Gleitweg aufgebrochen. Der Gleitweg befindet sich auf einer Höhe von 1500 Metern. "Dort kam es bereits häufiger zu schweren Unfällen", berichtete der Polizeisprecher. "Das Grasgelände sieht zunächst nicht gefährlich aus, es gibt aber große Höhenunterschiede." Die Seniorin stürzte etwa 50 Höhenmeter tief. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter mussten wegen eines Schocks von der Bergwacht betreut werden.

Weitere Opfer von Wanderunfällen waren neben anderen der "Lindenstraße"-Darsteller Philipp Brammer (44) sowie Gerhard Rupprecht (65), ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Allianz-Lebensversicherung. Ein Österreicher, der in kurzen Hosen und Turnschuhen unterwegs war, starb beim Abstieg aus 3500 Metern an Unterkühlung. Auch im Montblanc-Massiv gab es mehrere Unfälle. Zuletzt stürzten drei Bergsteiger zusammen im französischen Teil des Massivs ab. Zuvor war eine Gruppe von sechs Alpinisten dort verunglückt.

Einen Trend zu besonders vielen tödlichen Unfällen in diesem Jahr könne man bisher nicht erkennen, sagte Nicole Elzer, Referentin für Bergwacht beim Deutschen Roten Kreuz. Jedoch seien die Fälle im Zuständigkeitsbereich der Bergwacht Bayern etwas angestiegen.

Für Wanderunfälle kann es eine Fülle von Ursachen geben, erläuterte Clemens Joos von der Bergwacht Allgäu. "Schlechte Witterung, eine mangelhafte Ausrüstung oder Selbstüberschätzung können dazu führen, aber häufig ist es einfach Pech", sagte der Bergretter. So sähen beispielsweise manche Felsen von außen sicher aus, könnten aber dennoch einen Kletterer nicht halten. "Ein Restrisiko bleibt immer", sagte Joos. Je mehr Erfahrung ein Wanderer habe, desto besser lasse sich dieses Risiko eindämmen. Ein Garant für eine unfallfreie Wanderung sei das aber nicht.

Trotz der mindestens 20 allein im August verunglückten Wanderer in den Alpen gehen immer wieder Menschen erhöhte Risiken ein. Wenn sich Menschen trotz der Meldungen von Todesfällen und dringender Warnhinweise immer wieder in Gefahr begeben, kann das auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden, erklärt Psychologin Heike Kaiser-Kehl. "Einerseits geht es um Gewohnheiten. Andererseits ist da auch eine Selbstüberschätzung im Spiel." Studien hätten ergeben, dass der Durchschnittsmensch seine Fähigkeiten häufig überschätze. "Oft denken Menschen auch: ,Das passiert anderen, aber nicht mir.'" Beispiel Alkoholfahrt: Bekannt ist, dass es gefährlich ist, unter Alkoholeinfluss Auto zu fahren. Dennoch gibt es immer wieder alkoholisierte Fahrer, die sich das sichere Fahren zutrauen und dann verunglücken.

Auch der "Herdentrieb" könne dazu beitragen, dass Menschen leichtsinnig werden. So gingen im Sommer viele Touristen an der Ostsee ins Wasser, obwohl die DLRG davor warnte. "Wenn schon fünf Leute im Wasser sind, kann es ja nicht gefährlich sein, signalisiert das Gehirn", sagt die Expertin.

(RP)
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