TV-Talk "Hart aber fair" mit Frank Plasberg Der Martin-Schulz-Effekt

Düsseldorf · Martin Schulz führt die deutschen Sozialdemokraten im Moment von einem Hoch in den Meinungsumfragen zum nächsten. Frank Plasberg wollte von seinen Gästen wissen, was sich hinter seinem Erfolg verbirgt: Ist es ein Feuerwerk oder doch bloß ein Strohfeuer?

Darum ging's: Im ehemaligen Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, hat die SPD recht unverhofft ihren Hoffnungsträger für die Bundestagswahlen im September gefunden. Getragen von einer Welle der Sympathie könnte Schulz sogar zum Kanzler gewählt werden. Für Frank Plasberg ein willkommener Anlass, in seiner Sendung das Phänomen Martin Schulz näher zu beleuchten und seine Gäste zu fragen: "Der Alternative — wie gefährlich wird Schulz für Merkel?"

Darum ging's wirklich: Martin Schulz hat die deutsche Politik in den letzten Wochen so spannend gemacht, wie sie lange nicht mehr war. Wie nahhaltig der Schulz-Effekt für die SPD ausfallen wird, ist noch nicht abzuschätzen. Sein inhaltliches Profil ist jedenfalls alles andere als klar. Frank Plasbergs Gäste hatten ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich der künftige Kanzlerkandidat in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln könnte.

  • Hannelore Kraft (SPD), NRW-Ministerpräsidentin, stellvertretende Parteivorsitzende
  • Herbert Reul (CDU), Vorsitzender der Unionsgruppe im Europäischen Parlament
  • Hajo Schumacher, Journalist und Moderator, Kolumnist "Berliner Morgenpost"
  • Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler und Armutsforscher
  • Christian Lindner (FDP), Bundesvorsitzender; NRW-Landesvorsitzender

Der Frontverlauf: Mit Hannelore Kraft saß eine SPD-Politikerin in Plasbergs Runde, die vor der Bundestagswahl im September schon bei der Landtagswahl in NRW vom Schulz-Effekt profitieren könnte. Für Sigmar Gabriel sei es zwar keine leichte Entscheidung gewesen, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten, so Kraft. Doch: "Wir müssen den ranlassen, der die besten Chancen hat." Schulz sei der richtige Kandidat. "Die Leute hören ihm zu", so Kraft. Zwar betonte sie, er sage inhaltlich nichts anderes als Gabriel oder sie selbst, aber er sei eben neu.

Dieser Einschätzung stimmte auch Journalist Hajo Schumacher zu. Er bezeichnete Schulz als "Projektionsfläche" unter der sich jeder Wähler etwas vorstellen könne. "Politik ist zu 50 Prozent Emotion und Psychologie, auf diesem Gebiet ist Martin Schulz sehr erfolgreich", gab er zu bedenken und bezeichnete Schulz gar als "Oscar Lafontaine light".

Dass sich Schulz mit einem Wahlprogramm noch bis nach der Landtagswahl in NRW Zeit lassen will, bezeichnete der Journalist als sinnvoll. "Je früher man sich festlegt, desto schneller kann man Sympathien verlieren", so Schumacher. Schulz' Erfolg hing für Schumacher auch mit politischen Entwicklungen im Ausland zusammen, etwa mit der Wahl von US-Präsident Donald Trump. "Seit Trump hat Europa eine ganz andere Bedeutung bekommen", so Schumacher. Dass Schulz von Brüssel in die innerdeutsche Politik wechsle, sei deshalb von Vorteil für ihn.

Auch der Armutsforscher Christoph Butterwegge, der 2005 wegen der Agenda 2010 aus der SPD ausgetreten war und von der Linken zuletzt als Kandidat für das Amt Bundespräsidenten aufgestellt worden war, setzte Hoffnungen auf Schulz. Die SPD habe zu lange ihre Ideale wie soziale Gerechtigkeit und Solidarität vernachlässigt. "Jetzt haben die Menschen das Gefühl, da kommt jemand und verkörpert das wieder", so Butterwegge. Er lobte, dass mit Martin Schulz "das politische Leben in der Bundesrepublik bunter" werde.

Butterwegge hoffte mit Schulz auf eine Neuorientierung der SPD. Inwieweit diese Hoffnung aber der Realität entspricht, blieb offen. Hannelore Kraft sprach von Korrekturen der Agenda 2010. "Unser Ziel ist vorne zu liegen, damit wir das, was wir für sozial gerecht halten, stärker nach vorne stellen können", so die NRW-Ministerpräsidentin. Butterwegge hingegen hielt das ganze Grundkonzept der Agenda 2010 für falsch. Die Frage, ob er mit Schulz wieder in die SPD eintreten werde, ließ Butterwegge deshalb offen. "Das wäre überhaupt nur zu überlegen, wenn die SPD wieder sozialdemokratische Politik macht", so der Armutsforscher.

Sogar die FPD profitiert von Schulz

Auch Christian Lindner gratulierte der SPD zu ihrem Aufschwung. "Die SPD war lang unterbewertet", so der FDP-Chef. "Zehn Abgeordnete mehr von der SPD statt von der AfD, da gönn ich der SPD diesen Erfolg", so Lindner. Nicht zuletzt, weil er sich auch für die FDP einen Schulz-Effekt ausrechnet, der neue Mitglieder in die Partei bringen soll. Lindners Einschätzung: "Frau Merkel hat die deutsche Politik narkotisiert und bestimmte Debatten unterbunden und jetzt ist plötzlich wieder Leben in der Bude." Das werde "spannend", so Lindner. Wenngleich Lindner mit der möglichen Verteilungspolitik unter Schulz wenig anfangen konnte.

Der einzige in der Runde, der mit dem SPD-Kanzlerkandidaten völlig unversöhnlich blieb, war CDU-Europaabgeordneter Herbert Reul: "Ob die Anfangsshow reicht, da habe ich meine Zweifel." Auf ein Dossier angesprochen, dass Reul mit Mitarbeitern über Martin Schulz angelegt hatte und für viel Ärger innerhalb der CDU geführt hatte, reagierte er empfindlich. An Schulz ließ er kein gutes Haar, dieser sei schon immer ein Opportunist gewesen. "Es wird der Eindruck erweckt, man würde einen Kurswechsel machen", so Reul, "in Wirklichkeit ändert sich nichts und es ist nichts dahinter."

Das wahrste Wort des Abends: "Er ist jemand, der für mich ein Hoffnungsträger ist" (Katharina Litz, Studentin, die wegen Martin Schulz in die SPD eingetreten ist)

Fazit: Ob die ersten Wochen Höhenflug der SPD mit ihrem Hoffnungsträger weitergehen? Eine Antwort darauf lieferte Frank Plasbergs Runde zwar nicht, aber einen Vorgeschmack auf einen spannenden Bundestagswahlkampf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort