Farindola Überlebende aus Berghotel gerettet

Farindola · Mindestens neun Menschen - darunter vier Kinder - haben das Lawinenunglück in den Abruzzen überlebt. Zum Teil konnten sie sich im Küchentrakt des verschütteten Hotels unter einer Zwischendecke verkriechen.

Es war kurz nach 11 Uhr am Vormittag, als die Retter ersten Kontakt mit den Überlebenden aufnahmen. Zunächst sechs Menschen konnten die Rettungskräfte in den Ruinen des Hotels "Rigopiano" in Farindola am Fuß des Gran-Sasso-Massivs gestern orten, darunter auch ein Kind. Das Hotel in der italienischen Bergregion Abruzzen war am Mittwochnachmittag beim Abgang einer möglicherweise von einem Erdbeben ausgelösten Lawine verschüttet worden. 43 Stunden nach dem Unglück zogen Bergretter und Feuerwehrleute die ersten, nahezu unversehrten Überlebenden aus dem Schnee. Sie wurden per Hubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Einige hätten Unterkühlungen, niemand sei aber in einem kritischen Zustand, sagte ein Arzt.

Am Nachmittag meldete die Feuerwehr Kontakt zu weiteren Überlebenden im Inneren des weitgehend zerstörten Hotels. "Wir haben Signale von anderen Personen", bestätigte Feuerwehrsprecher Giuseppe Romano. Am Abend wurde berichtet, dass drei Kinder befreit worden sind. "Wunder in den Abruzzen", titelte gestern der italienische Nachrichtensender Skytg24. "Es gibt Wunder", schrieb auch die Lokalzeitung "Il Centro" in ihrer Onlineausgabe.

In Videoaufnahmen war die Rettung eines kleinen Jungen in Skihose zu sehen, den die Feuerwehrleute unter fröhlichen Zurufen und Schulterklopfen aus einem Schneeloch befreiten. "Bravo!", riefen einige Retter. Wenig später wurde auch die Mutter des Jungen gerettet, bei der es sich um die Ehefrau des 38-jährigen Kochs Giampiero Parete handelte. Parete hatte kurz vor dem Abgang der Lawine das Hotel verlassen, um seiner Frau Tabletten aus dem Auto zu holen, und anschließend Alarm geschlagen.

Auch die sechsjährige Tochter des Paares befand sich noch in den Trümmern. "Holt meine Tochter, sie ist im Raum nebenan", zitierte die Zeitung "La Repubblica" die Mutter. Auf einem von den Rettungskräften aufgenommenen Video ist zu sehen, wie Paretes Frau nach ihrer Rettung eindringlich auf die Schneemassen deutet. Am Abend wurde auch das Mädchen gerettet. Das Glück der Überlebenden sei gewesen, dass sie nicht in direkten Kontakt mit dem kalten Schnee gekommen seien, hieß es beim Rettungsteam.

35 Personen sollen sich zum Zeitpunkt des Unglücks im Hotel "Rigopiano" befunden haben. Vier Menschen konnten nur noch tot geborgen werden. Nach mehr als 20 Menschen wird noch gesucht. Nach Angaben der Rettungskräfte hängt alles davon ab, ob es den Hotelgästen gelungen ist, Schutz innerhalb der Struktur zu suchen. Aber die Rettung der Überlebenden gibt den Suchmannschaften vor Ort Kraft. Mehr als 130 Menschen sind rund um das Hotel im Einsatz.

Auf die erste Gruppe der Überlebenden waren die Retter offenbar durch den Geruch von Rauch aufmerksam geworden. Das berichtete der an den Bergungsarbeiten beteiligte Offizier Marco Bini der Nachrichtenagentur Ansa. Die Menschen hätten sich im Küchentrakt des Hotels unter einer Zwischendecke verkriechen können und seien so den Schneemassen entkommen. Offenbar war es ihnen gelungen, ein Feuer zu entzünden. Auch etwas zu Essen hätte die Gruppe gehabt. Die Suche nach weiteren Überlebenden ging unter besonders schwierigen Bedingungen weiter. Nach Angaben der Rettungskräfte seien viele Bereiche des in Trümmern liegenden und von der Lawine zerstörten Hotels einsturzgefährdet. Zudem ist der Bereich, in dem das Hotel lag, weiterhin von Lawinen bedroht. Insbesondere die steigenden Temperaturen, die den Abgang von Lawinen begünstigten, lösten bei den Rettungstrupps Besorgnis aus. Der Präsident der Bergretter der Region Piemont, Luca Giaj Arcota, sagte Ansa, dass Trümmer und Möbel in bis zu 400 Metern Entfernung vom Hotel gefunden worden seien. "Das heißt, die Suche auf einer sehr weiten Fläche wird noch lange dauern."

Die Staatsanwaltschaft Pescara führt ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt. Denn die Hotelgäste sollen vor dem Abgang der Lawine wegen des außergewöhnlich starken Schneefalls abfahrbereit gewesen sein. Eine bereits angeforderte Schneeraupe, die die Forststraße freiräumen sollte, kam aber nie am Hotel "Rigopiano" an. Auch war die Lawinengefahr am Mittwoch am Gran Sasso mit vier von maximal fünf Punkten eingestuft worden, ohne dass eine Räumung des Gebäudes eingeleitet wurde.

(RP)
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