Die Kehrseite der "Feuerwerk-Medaille" Viehzüchter: Böllerreste gefährden Tiere

Burscheid · Während die Grünen die Silvester-Knallerei in Berlin eindämmen wollen, fürchten die Viehzüchter in den ländlichen Gebieten um ihre Tiere, weil diese die Böllerreste fressen und daurch verletzt werden können.

Julia und Frank Paas freuen sich schon auf den Jahreswechsel. Auf ihrem Hof in Burscheid haben die beiden Milchviehhalter eine hervorragende Aussicht über das Rheintal. Wenn es in der Silvesternacht nicht bewölkt sein sollte, kann das Ehepaar die Feuerwerke von Bonn bis Neuss sehen. Doch den Rundblick auf die vielen bunten Raketen, die dann in den Himmel geschossen werden, wissen auch andere Menschen zu schätzen. Hunderte kommen deswegen in der Silvesternacht auf die Felder nach Burscheid. Zum Ärger von Familie Paas brennen viele von ihnen auch selbst Feuerwerk ab, werfen Flaschen und Müll auf die Futterflächen. "Diese Überreste können über das Futter in die Mägen unserer Kühe und Pferde gelangen", sagt Julia Paas. "Das kann zu schlimmen Verletzungen führen."

Nicht nur in Burscheid, sondern landesweit ärgern sich Viehzüchter zunehmend über Böller- und Raketenreste auf ihren Äckern und Weiden. Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW bestätigt: "Für die Tiere ist es extrem gefährlich, wenn die Hinterlassenschaften in ihren Organismus gelangen." Die Kammer bittet deswegen Verkaufstart der Silvesterkracher um mehr Rücksicht. "Es reicht schon aus, wenn der Müll hinterher weggeräumt wird", betont Rüb.

"Polen-Böller" bereiten Sorgen

Polizei und Feuerwehr bereiten in diesem Jahr hingegen erneut die sogenannten "Polen-Böller" große Sorgen, die über eine enorme Sprengkraft verfügen. Diese Kracher könnten Finger abreißen, ganze Hände zerfetzen und sogar tödlich sein, erklärt ein Feuerwehrsprecher. In Rheinland-Pfalz starb an Heiligabend ein Familienvater an den schweren Verletzungen, die er durch die Explosion eines selbst gebauten Böllers erlitten hatte. Der Kracher war zu früh losgegangen.

Aber auch bei dem geprüften Feuerwerk, das legal in den Geschäften gekauft werden kann, mahnt die Feuerwehr zur Vorsicht. "Wir beobachten einen zunehmenden Leichtsinn beim Abbrennen von Silvesterfeuerwerk", sagt ein Feuerwehrsprecher. 50 Prozent der Verletzungen seien nicht mehr selbstverschuldet, sondern entstünden aus Querschlägern oder dem Beschießen von Menschen, betont er.

Bei den Käufern gefragt sind laut dem Verband der pyrotechnischen Industrie vor allem Feuerwerks-Batterien, die einen Marktanteil von knapp 40 Prozent besitzen. Etwa 25 Prozent entfallen demnach auf Raketen, weitere 25 Prozent auf Familiensortimente; Knaller sind mit rund 15 Prozent Marktanteil das Schlusslicht.

Grüne wollen Feuerwerks-Regeln für Berlin

Die Grünen-Politikerin Silke Gebel will die Silvester-Knallerei in Berlin eindämmen. Das Feuerwerk zum Jahreswechsel solle nur noch an ausgewiesenen Plätzen gezündet werden, forderte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus in der "B.Z. am Sonntag".

"Ein notwendiger Schritt wäre es, das Silvesterfeuerwerk nur an ausgewiesenen Orten abzubrennen, wie auf größeren Plätzen oder an Hauptstraßen", sagte Gebel der Zeitung. Auch am Brandenburger Tor sei das Böllern nur auf speziellen Flächen gestattet. Die Luft sei zu Silvester 60 Mal stärker belastet als an den anderen Tagen im Jahr.
Zudem müsse die Stadtreinigung Sonderschichten einlegen wegen des Mülls, begründete Gebel ihren Vorschlag.

Feuerwerksverbote in Städten mit historischen Stadtkernen

Wegen der hohen Brandgefahr für Fachwerkhäuser und Reetdächer sind in vielen deutschen Altstädten Raketen und Böller zum Jahreswechsel verboten. Der Schreck über in Flammen stehende wertvolle historische Gebäude hat die Stadtoberhäupter vorsichtig gemacht - etwa in Tübingen, Goslar oder Quedlinburg. Die meisten Bürger halten sich an die Verbote. "Jeder weiß, dass Silvesterraketen und Böller gefährlich sind", sagte der Geschäftsführende Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, Karl-Christian Schelzke, in einer Umfrage der dpa.

In Hessen wurde vor vier Jahren ein Feuerwerkverbot für Städte mit vielen Fachwerkhäusern erlassen. In einigen Kommunen drohen hohe Strafen. So müssen uneinsichtige Pyrotechnik-Fans im hessischen Michelstadt im Odenwald oder in der Unesco-Welterbestadt Quedlinburg in Sachsen-Anhalt mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro rechnen, wie Sprecher sagten. In Niedersachsen sind Feuerwerkskörper nicht nur in Goslar, sondern unter anderem auch in den historischen Stadtkernen von Hildesheim und Wolfenbüttel tabu.

Böllern auf Sylt und Amrum verboten

Im baden-württembergischen Tübingen sitzt vielen Menschen der Schreck von vor fünf Jahren noch in den Knochen, wie eine Sprecherin berichtete. Damals hatte eine Rakete ein Fachwerkhaus am historischen Marktplatz in Brand gesetzt. Auch Bürger wiesen Unverbesserliche zurecht. "Da gibt es eine strenge soziale Kontrolle." Außerdem seien Ordnungskräfte unterwegs. Auch Esslingen zählt zu den Städten mit einem Verbot. "Unsere Altstadt ist wirklich eng", sagte eine Mitarbeiterin. "So schnell kann man gar nicht gucken, wie da ein ganzes Quartier brennt." In die Altstadtgassen könnten Feuerwehrwagen nur schwer hineinfahren, vor allem, wenn dort noch Autos parken.

Auf den Nordseeinseln Sylt und Amrum mit ihren reetgedeckten Häusern ist das Anzünden von Silvesterböllern zum Jahreswechsel komplett untersagt. "Der Wind muss nur schlecht stehen und schon haben wir das Dilemma", sagte eine Sprecherin von Sylt Marketing. Das einzige offizielle Feuerwerk auf Sylt wird es in Hörnum geben. Auch in St. Peter-Ording an der Küste ist Feuerwerk vollständig verboten. Wer nicht darauf verzichten möchte, muss nach Travemünde an der Ostsee. Dort sind gleich drei große Feuerwerke am Strand angekündigt.

Generell müssen sich Feuerwerk-Fans an Regeln halten. So dürfen Böller und Raketen grundsätzlich am 31. Dezember und am 1. Januar ganztägig von Volljährigen abgebrannt werden, wie etwa die Polizei in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein mitteilte. "Teilweise ist dies in einzelnen Gemeinden und Städten nur verkürzt erlaubt."

Mit Agenturmaterial

(RP)
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