Köln Winnetou reitet jetzt in Köln

Köln · Mit Innenaufnahmen in den Kölner MMC-Studios enden die Dreharbeiten für die Neuverfilmung des "Winnetou"-Stoffes. 2016 läuft der Dreiteiler bei RTL. Die Crew verspricht eine zeitgemäße Interpretation der Geschichte.

Wer in die Fußstapfen von Pierre Brice als Winnetou tritt, hat's nicht leicht - zu sehr wurde der Franzose hierzulande für seine Interpretation des Apachen-Häuptlings verehrt. Immerhin hat Marie Versini, als Winnetous Schwester Nscho-Tschi in den 60ern ebenfalls ein Star, dem neuen Häuptlings-Mimen Nik Xhelilaj ihren Segen erteilt. "Sie hat gesagt, ich hätte die Lippen von Pierre Brice", erzählte Xhelilaj gestern am Set von "Winnetou". In den Kölner MMC-Studios entstehen derzeit die Innenaufnahmen für die Neuverfilmung des Karl-May-Klassikers, die Regisseur Philipp Stölzl als "Kino fürs Fernsehen" anpreist. So weit der eigene Anspruch.

Tatsächlich aber ist das Risiko, dass der RTL-Dreiteiler beim Publikum durchfällt, nicht zu unterschätzen. Genießen die Filme aus den 60ern, auch wenn sie den Sehgewohnheiten nicht mehr entsprechen, doch bis heute Kultstatus. In solchen Fällen, also wenn ein ehemals erfolgreicher Stoff wieder aufgegriffen wird, sprechen die Verantwortlichen gerne von Neuinterpretation, von Anpassung an den Zeitgeist. Bei der "Winnetou"-Neuauflage ist das nicht anders. "Wir haben ein Best-of aus dem kollektiven Winnetou-Gedächtnis zusammengetragen", sagt Produzent Christian Becker. Die alten Werke seien etwa für ein jugendliches Publikum von heute zu langweilig. "Jetzt ist für jeden etwas dabei." Solche Sätze stimmen eher skeptisch.

Anderes wiederum lässt hoffen, dass auch ein modernisiertes Abenteuer mit dem Apachen-Häuptling nicht zwangsläufig enttäuschen muss. Die Schauspieler zum Beispiel. Wotan Wilke Möhring (48), bekannt als "Tatort"-Kommissar, wirkt als Old Shatterhand recht kernig, mit (angeklebten) langen Haaren und Dreitagebart. Als Kind sei er ein großer Karl-May-Fan gewesen, erzählt er, die Filme habe er geliebt, bei der Titelmelodie gehe ihm heute noch das Herz auf. "Wir haben jedoch kein Remake gedreht. Der Stoff dieser zwei unterschiedlichen Kulturen, die scheinbar unvereinbar sind, der ist zeitlos, gerade mit Blick auf die aktuelle Weltpolitik, wo es darum geht: Wie kann ich eine andere Lebensart begreifen? Mit seiner Vision einer kulturübergreifenden Freundschaft zeigt der Film, wie wir es richtig machen können."

Das sieht Xhelilaj genauso. Die Lösung aller Konflikte liege darin, teilen zu lernen, sagt er. Das sei eine Botschaft des Films. Die Romane von Karl May habe er vorher nicht gekannt, sich erst durch das Drehbuch mit der Figur des Indianerhäuptlings vertraut gemacht. Auch die Mexikanerin Iazua Larios, die Nscho-Tschi spielt, hatte von dem Stoff vorher nichts gehört, aber zum Glück einen kundigen Freund, der ihr Winnetous Welt nahe brachte. Für beide, Xhelilaj wie Larios, ist es der bislang aufwendigste Dreh.

Regisseur Stölzl ist allerdings mit Großprojekten vertraut, er inszenierte etwa "Der Medicus". Sein "Winnetou", sagt er, biete einen völlig neuen Blick auf die Figuren. In den alten Filmen habe der Apachenhäuptling keine Entwicklung durchgemacht. "Pierre Brice hatte eine sehr warme, sanfte, Jesus-ähnliche Ausstrahlung. Man hatte fast das Gefühl, dass er nicht von dieser Welt war", sagt Stölzl. In der aktuellen Produktion wandle Winnetou sich vom harten Krieger und Weißen-Hasser zu einem offeneren Menschen, während Old Shatterhand zum Indianerfreund werde. Klingt nicht so ganz unbekannt. Wie "neu" die Geschichte am Ende ist, wird erst der fertige Film zeigen.

Der sich auch in der Ästhetik von den alten Werken unterscheiden will. Die Atmosphäre soll realistischer sein, man habe sich, sagt Stölzl, etwa von alten Fotos inspirieren lassen. Und von TV-Serien wie "Deadwood" oder Filmen wie "Der mit dem Wolf tanzt". Heißt: Wenn Winnetou durch die kroatische Prärie reitet, darf es auch mal regnen, Gebäude wirken notdürftig zusammengezimmert, Klamotten abgetragen. Authentisch eben. "Je kälter die Umgebung, desto mehr wärmt die Freundschaft", sagt Stölzl.

Nächste Woche ist nach sechs Monaten Drehschluss für Xhelilaj. Wie verabschiedet er sich von Winnetou, einer Rolle, die ihm auch körperlich viel Disziplin abverlangte? "Erstmal", sagt der 32-Jährige, "gehe ich ein Bier trinken."

(RP)
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