Bad Berleburg Wisenten droht der Abschuss

Bad Berleburg · Nach dem Angriff auf eine Wanderin steht das Projekt im Rothaargebirge vor dem Aus.

Es könnte das traurige Ende eines Projektes sein, das deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hat und den Tourismus im Hochsauerland und dem Kreis Siegen-Wittgenstein beflügeln sollte. Seit drei Jahren lebt in den Wäldern der Region eine Wisent-Herde - wild und ohne Zäune. Doch vor drei Wochen ist das Vorzeigeprojekt ins Wanken geraten. Eine Wisentkuh hatte eine 47-jährige Neusserin angegriffen und leicht verletzt. Nun streiten die Landräte der Region um den Erhalt des Projektes. Die Tourismusbranche ist ebenfalls zweigeteilter Meinung. Und der Trägerverein bangt um das Leben der Tiere.

Karl Schneider, Landrat des Hochsauerlandkreises, möchte, dass die Tiere aus seinem Kreis verschwinden. "Wir haben eine akute Gefährdungslage gehabt. Wir müssen möglicherweise damit rechnen, dass noch weitere solche Lagen eintreten werden", sagte er bei einem Treffen mit den Initiatoren. "Und ich möchte nicht, dass der Staatsanwalt bei mir im Hochsauerlandkreis sitzt und fragt: Was hast du denn eigentlich getan, um das zu verhindern?"

Die Begegnung zwischen Wisentkuh und Wanderin am 22. Mai ging glimpflich aus. Die Frau war mit ihrer Familie auf einem Rundwanderweg entlang des Rothaarsteiges unterwegs, als plötzlich eine Gruppe der europäischen Bisons in einigen Metern Entfernung auftauchte. Als die Frau in einer Böschung Schutz suchte, stieß das Wisent sie mit dem Kopf. Dabei trug die Frau Prellungen und eine Schürfwunde davon. Der Trägerverein geht davon aus, dass die Wisentkuh ein Jungtier beschützen wollte. Es war der erste Vorfall dieser Art in drei Jahren.

Damit es dabei bleibt, empfiehlt Schneider, die Tiere in einem bestimmten Gebiet einzuzäunen. Dagegen wehrt sich der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller: "Das ist ein Auswilderungsprojekt. Wenn wir die Tiere einzäunen, sind sie nicht mehr frei", sagte er dem WDR. "Übersetzt heißt das für mich: Die Forderung des Hochsauerlandkreises kommt einer Aufforderung gleich, das Projekt abzubrechen."

Und das hätte auch schwerwiegende Konsequenzen für die Tiere, sagt Michael Emmrich, Sprecher des Trägervereins, der für die Wisent-Herde verantwortlich ist. "Wir werden kämpfen und versuchen zu verhindern, dass die Tiere eingesperrt oder getötet werden müssen." Denn mit einem Zaun sei das Projekt am Ende und nur noch eines von Dutzenden in Deutschland, in denen es bereits mehrere Wisent-Herden gibt - jedoch keine weiteren in Freiheit. "Das Einfangen der Tiere, um sie woanders unterzubringen, würde mindestens 5000 Euro pro Tier kosten - und das kann sich der Verein nicht leisten", sagt Emmrich. Also 85.000 Euro für alle 17 Tiere - deshalb müssten sie dann wohl oder übel getötet werden.

Viele von ihnen sind in freier Wildbahn zur Welt gekommen. "Ich bin deshalb auch davon überzeugt, dass das Einfangen der Tiere artenschutzrechtlich nicht umzusetzen ist", sagt Emmrich. Das NRW-Umweltministerium will keine rechtliche Einschätzung abgeben, solange nicht entschieden wurde, wie es mit den Tieren weitergeht.

"Ich bin sehr traurig, dass sich das Ende des Projektes anbahnt", sagt Thomas Weber, Geschäftsführer Sauerland-Tourismus und gleichzeitig Vorsitzender des Rothaarsteigvereins. "Ich hätte mir gewünscht, dass das Projekt wie vorgesehen ein Wildnisfeeling in die Region bringt." Doch das drohe nun zu scheitern. "Ich bedauere die Heftigkeit und die Schnelle, mit der die Gespräche zwischen den Parteien geführt wurden. Man kann zwar nicht tatenlos mit ansehen, wenn ein solcher Vorfall passiert, aber man muss in Ruhe darüber sprechen und eine Lösung finden."

Für die Gegner des Projektes sei das ein gefundenes Fressen, sagt Emmrich. Seit Jahren beklagen Waldbauern, dass die Tiere ihre Bäume beschädigen.

In vier Wochen wollen sich die Beteiligten wieder an einen Tisch setzen. Bis dahin muss eine Lösung her - sonst ist das Projekt Geschichte.

(jnar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort