200 000 Euro für ein Stück Mars

In New York wird am Sonntag ein Stückchen eines Meteoriten versteigert, der im Juli 2011 auf die Erde stürzte. Es zeigt keinerlei Spuren von fremdem Leben, aber feine glasartige Einschlüsse, in denen die Oberfläche des Roten Planeten konserviert wurde.

New York Der kleine Stein ist mit einer schwarzen Kruste überzogen, knapp neun Zentimeter lang und 326 Gramm schwer. Das unscheinbare Objekt erinnert den flüchtigen Beobachter an ein Betonstück, das aus einer bemalten Mauer herausgebrochen wurde. Am Wochenende wird es in New York bei Heritage versteigert: Die Auktionatoren schätzen den Wert des Steins auf rund 200 000 Euro – er stammt vom Mars und gehört zu einem Meteoriten, der im Vorjahr in der Wüste in Marokko gefunden wurde.

Zwei Nomaden hatten am 18. Juli 2011 im Süden Marokkos einen spektakulär vom Himmel auf den Boden stürzenden Feuerball beobachtet. Sie suchten im Wüstensand und fanden einen in etwa ein Dutzend Teile zerbrochenen Meteoriten. Fast 1,2 Kilogramm wiegt der Fremdling aus dem Weltraum. Er erhielt seinen Namen nach der Fundstelle: Tissint, eine Ebene in der Nähe des Al-Algaab-Gebirgsmassivs. Das größte Stück ist jetzt im Londoner Naturhistorischen Museum ausgestellt. Das kleinere Bruchstück aus New York passt genau an das Londoner Stück.

Die Beobachtung der Nomaden war ein Jahrhundert-Ereignis: Der letzte beobachtete Einschlag von Marsgestein auf der Erde datiert von 1962. Bisher sind 60 meist schwarz oder metallisch schimmernde Steine als Mars-Meteoriten enttarnt worden. Sie besitzen alle eine charakteristische Verteilung von Sauerstoff- und Stickstoff-Isotopen, die auf der Erde in dieser Form nicht existiert. Aber nur fünf davon wurden direkt beim Fall auf die Erde beobachtet.

Für die Wissenschaft ist das wichtig: Die anderen Trümmer aus dem Weltraum könnten schon Jahrtausende auf der Erde liegen – und die Untersuchungsergebnisse deshalb nicht mehr den Zustand auf dem Mars widerspiegeln. So gab es großen Streit, als Forscher der US-Weltraumagentur Nasa vor zehn Jahren Hinweise von früherem Leben im Meteoriten-Gestein vom Mars gefunden haben wollten.

Der Tissint sei "ohne jegliche biologische Spuren", berichtete dagegen in dieser Woche Hasnaa Chennaoui Aoudjehane von der Universität Casablanca, die den Meteoriten untersuchen durfte. Trotzdem fasziniert er: Anhand des Einflusses der kosmischen Strahlung konnten die Forscher nachrechnen, dass Tissint rund 700 000 Jahre durchs All gekreuzt ist, bevor er auf der Erde einschlug.

Spektakulär sind die feinen schwarzen glasartigen Einschlüsse im Inneren. Auodjehane geht davon aus, dass der Stein auf dem Marsboden durch Flüssigkeiten verwitterte, die schließlich in Risse und Spalten eindrangen. Durch die Wucht des Einschlags eines anderen Himmelskörpers auf dem Mars sei Tissint dann mit weiteren Brocken ins All geschleudert worden. Dabei hätten sich vermutlich auch die schwarzen Glasadern gebildet, in denen chemische Spuren der Marsoberfläche dauerhaft konserviert worden seien. Besonders auffällig ist der hohe Anteil am Metall Cer, das zur Gruppe der seltenen Erden gehört, auf dem Mars aber häufiger vorkommt.

Bei Heritage in New York ist der Stein übrigens nicht das teuerste Objekt. Der Höhepunkt der Auktion stammt vom Mond: 340 000 US-Dollar werden als Mindestgebot erwartet für das "größte Stück Mondgestein, das je auf einer Auktion verkauft wurde", wie Heritage stolz anmerkt. Es sei das viertgrößte Stück, das überhaupt von einer Privatperson erworben werden könne. Mondgestein wird mit 228 Dollar pro Gramm gehandelt. Nur 61 der etwa 382 Kilo Gestein, das Nasa-Astronauten mit zur Erde brachten, stehen für private Zwecke zur Verfügung. Ein großer Teil ist noch gänzlich unberührt. Die Nasa will die Chance nicht verschenken, dass es in der Zukunft Messverfahren geben könnte, die mehr Informationen aus den Steinen herauslesen können als die bisherigen.

Erste Steine vom Mars soll eine Nasa-Mission frühestens in sechs Jahren zurück zur Erde bringen. Bis dahin müssen sich Planetenfreunde mit Meteoriten begnügen. "Meteoriten sind Mars-Forschung für arme Leute", witzelte Caroline Smith vom Londoner Naturhistorischen Museum bei der Präsentation der Ergebnisse mit Blick auf die Zwei-Milliarden-Mission der Nasa. Auf der Erde könne Marsgestein von Menschen viel gründlicher untersucht werden, als das ein Roboter je können werde, ergänzte sie.

(RP)
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