Düsseldorf 60 Jahre Doppelhelix

Düsseldorf · Francis Crick und James Watson haben die wohl wichtigste Struktur der Biologie entschlüsselt: Die DNA, Träger des Erbguts, windet sich wie eine doppelte Schraube.

Viele wichtige Ereignisse werden von Anekdoten begleitet und auch die Pioniere der Genforschung waren da nicht untätig. Sie seien nach ihrer Entdeckung in eine Kneipe gegangen, berichten Francis Crick und James Watson. Dort hätten sie erzählt, dass Rätsel des Lebens sei nunmehr gelöst. Das war 1953 und zwei Jahre Arbeit lagen hinter den beiden. Die Biologie war noch eine weitgehend empirische Wissenschaft, die ihr Wissen meist aus direkten Beobachtungen sammelte, und über den Mechanismus der Vererbung wusste man nicht viel.

Zwar wussten die Forscher durch Mendel und aus eigenem Erleben, dass einige Informationen von Eltern auf Kinder übertragen werden. Sie hatten aus der Untersuchung der Zellteilung auch erkannt, dass dabei wiederkehrende Bestandteile eine Rolle spielen: die Chromosomen, auf denen Gene sitzen, der eigentliche Träger der Information, aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Und diese Gene waren chemisch nicht besonders auffällig: Aminosäuren, Zucker und Phosphat, Substanzen, die überall im Körper vorkommen.

Darin liegt die große Bedeutung der Entdeckung des Briten Francis Crick und des Amerikaners James Watson. Viel wichtiger als die Aufklärung der Struktur der DNA ist die darin liegende Erklärung, welche Mechanismen im Körper ablaufen.

Das war Crick und Watson bereits klar. Als "spiralförmig gedrehte Strickleiter" beschrieben die beiden ihr Konzept – viel anschaulicher als der sperrige Begriff der Doppel-Helix. Genau vier Basen bilden die Leitersprossen, deren gewundene Ketten von Zucker und Phosphat zusammengehalten werden.

Enzyme können die Leiter wie einen Reißverschluss öffnen. Jede halbe Sprosse kombiniert dann mit der passenden Base. Diese Struktur kann sich so leicht selbst verdoppeln. "Der Kopiermechanismus, der Leben aus Leben entstehen lässt", schrieb Francis Crick an seinen zwölfjährigen Sohn. Kurz danach, am 26. April 1953, erschien die Theorie in einem Aufsatz in der Wissenschaftszeitung "Nature". Er habe damals sofort verstanden, dass sein Vater eine wichtige Entdeckung gemacht hätte, erzählt Sohn Michael heute als Anekdote. "Der Brief ist so voller Aufregung und Enthusiasmus gewesen, dass es schwer war, das nicht mitzubekommen."

Freilich war das Rätsel des Lebens nicht gelöst. Schnell folgte eine Erklärung, wie die DNA in der Zelle zur Produktion der Proteine abgelesen wird. Millionen Schüler und Studenten haben seitdem in Seminaren die DNA isoliert und ihre besondere Flexibilität erfahren, wenn sie versuchen, wie stark man ziehen kann, bis der Strang reißt. Doch die Forscher haben erkennen müssen, dass das Leben nicht so einfach ist, wie Crick und Watson es beschrieben haben. Zunächst wurde der Irrtum von der Bedeutung der Gene abgeräumt. Für jedes körperliche Merkmal sollte ein eigenes Gen zuständig sein, selbst der Kunst des Klavierspielens wurde ein Gen zugesprochen, vielleicht sogar dem Verstand. Wie einfach das klang.

Doch als 2003 erstmals die genaue Abfolge der einzelnen Elemente der DNA eines Menschen nach 13 Jahren Arbeit mit aufwendigen Computerverfahren vollständig entschlüsselt wurde, brach diese einfache Welt der Gene zusammen. Das Buch des Lebens erwies sich als komplexe Lektüre – nicht ein Buch, eher eine Bibliothek noch unbekannten Ausmaßes.

Die Abläufe in einer Zelle sind viel komplizierter als das Öffnen eines Reißverschlusses. Die so einfache Strukturbeschreibung der DNA hat sich in riesige Datenbanken verwandelt und beschäftigt Hochleistungscomputer. Aber es dauert nur einen Tag und 1500 Dollar um das eigene Erbgut präzise zu erkunden – und doch nicht zu verstehen.

60 Jahre nach der ersten Beschreibung der Struktur der DNA, deren Schönheit und Einfachheit auch die Kunst vielfach inspirierte, bleibt die Leistung von Crick und Watson trotzdem anerkannt, auch wenn abseits aller Anekdoten klar ist, dass einiges davon nicht allein ihr Verdienst war.

(RP)
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