Venedig Am Lido von Venedig geht es nicht allein um Kunst

Venedig · Nächste Woche öffnet die 56. Biennale ihre internationalen Pavillons. Für Deutschland will Fotokuratur Florian Ebner aktuelle Bildkultur hinterfragen.

Der Lido in der Lagunenstadt ist ein Zauberort. Sowieso. Wenn aber die Biennale beginnt, wird er einmal mehr aufgeladen für Künstler und die Kunst gleichermaßen. Wer einmal Biennale-Teilnehmer war, hat als Kunstschaffender einen Stern in seiner Vita dazugewonnen. Klar, dass alle eingeladen werden wollen. Für die Auswahl sind die Kommissare der nationalen Pavillons verantwortlich, sie entwickeln ein Konzept und suchen die Protagonisten danach aus.

Über allem steht das Gesamtkonzept, das in diesem Jahr Okwui Enwezor, der 52-jährige Nigerianer mit US-Pass, entwickelt hat. Enwezor, der das Münchner Haus der Kunst leitet und sich als "Documenta"-Organisator verdient gemacht hat, plant die große Ausstellung im Zentralpavillon in den Giardini und in den Arsenale-Hallen. "All The World's Futures" heißt sein Experiment, das auch verspricht, ein Festival der Welterklärung zu werden.

Denn die Biennale soll den Zustand der Welt spiegeln, kritisieren, fortschreiben - aus möglichst vielen unterschiedlichen Blickwinkeln. Chorgesänge hat Enwezor neben 700 Werke von 153 Künstlern aufs Programm gestellt, experimentelle Filme und Live-Schaltungen nach Syrien. Überraschend: Tagtäglich wird aus Karl Marx' Werk "Das Kapital" vorgelesen. Enwezor sagt: "Wir können nicht über Ungleichheit in der Welt nachdenken, ohne über das Kapital zu sprechen."

Der deutsche Pavillon diente in der Vergangenheit meist als künstlerischer Echoraum deutscher Geschichte und Identität. Aber er war auch Straßenbahnhaltestelle, U-Bahn-Station oder 2011 die "Kathedrale gegen die Angst" von Christof Schlingensief. In diesem Jahr wurde erstmals ein Fotokurator berufen: Florian Ebner (45) will die aktuelle Bildkultur hinterfragen und entwickelt den Pavillon zu einer "imaginären Fabrik" weiter. Diese Fabrik versteht er als Ort der Bilder, aber nicht als Ort der Produktion von Bildern. In den Arbeiten von drei deutschen Medienkünstlern und einem in Kairo lebenden Künstlerduo geht es um das Thema Ökonomie und Arbeit. "Wir erleben gerade eine ungeheure Metamorphose der Bilder", sagte Ebner unlängst im "art"-Interview. Diese Problematik sollen die Künstler reflektieren und herausfinden, was das Fotografische im digitalen Zeitalter bedeuten kann.

Unter dem bekannteren deutschen Kunstexport findet sich ein Selbstporträt von Georg Baselitz; der teuerste lebende Fotograf, Andreas Gursky aus Düsseldorf, ist mit großformatigen Arbeiten vertreten wie auch sein Professorenkollege an der Kunstakademie, der Maler Peter Doig mit einer Einzelschau.

Wenn der Anfangs-Run abgeebbt ist, bleibt bis November Zeit, die internationale Nabelschau der Kunst in Venedig anzuschauen, durch 89 Pavillons zu marschieren und die 44 Events in den Collaterali anzuschauen. Drei Tage braucht man dafür mindestens. Und dann hat man noch nicht die Gondelfahrt über den Canal Grande eingerechnet.

Alle Infos unter www.labiennale.org

(RP)
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