Aquavit - der Kümmel auf Erden

Ein Matjes darf auch außerhalb des Meeres noch schwimmen - zum Beispiel in diesem Branntwein.

Mit ihrem Lied "Eisgekühlter Bommerlunder" haben die Toten Hosen dem Kümmelschnaps sicherlich keinen Gefallen getan. Schon vor der Punk-Ode an den Branntwein hatte der Aquavit, zu dessen Gattung auch der Bommerlunder gehört, ein Image-Problem: zu viel Eckkneipe und Herrengedeck. "Jahrelang wurde er immer nur eiskalt getrunken, und außerhalb von Norddeutschland hat er eigentlich keine große Rolle gespielt", sagt Jürgen Deibel. Der Hannoveraner ist Spirituosen-Fachmann oder - global ausdrückt - "International Independent Spirits Consultant". Doch langsam erobert der Aquavit auch andere Landstriche und vor allem die Cocktail-Szene. "Endlich!", jubelt Deibel. Der Aquavit eigne sich nicht nur hervorragend zum Mixen, sondern sei auch idealer Begleiter zu Fisch - selbstverständlich auch zum Matjes - und Fleisch oder einem kühlen Bier.

Der Aquavit - was "Wasser des Lebens" bedeutet - hat in Skandinavien seinen Ursprung und wurde zunächst auch für seine medizinische Wirkung geschätzt. Kümmel und Dill wirken verdauungsfördernd und geben ihm die typische Geschmacksnote. Der dänische Akvavit hat eine eigene Schreibweise, sein Alkohol wird aus Getreide gewonnen. Er wird nicht gelagert, und es gibt ihn auch als "Taffel-Akvavit" zum Essen. Der norwegische Aquavit muss aus Kartoffeln gebrannt werden und im Fass gereift sein. Der besondere Linie-Aquavit, der seit 1827 produziert wird, überquert zwei Mal den Äquator, wird vier Monate in Fässern auf hoher See hin und her gerüttelt und lagert dann elf bis zwölf Monate. Auf der Homepage des Herstellers kann man den Weg seiner Flasche individuell nachverfolgen. Auf der Rückseite des Etiketts stehen der Zeitraum der Reise und der Name des Schiffs, mit dem der Schnaps unterwegs war. Der Lagerung wird Aufmerksamkeit geschenkt: Der Reifung im Sherry-Fass folgt ein Aufenthalt in Port- oder Madeira-Behältnissen. "Das gibt eine unglaublich tolle Aromatik", schwärmt Deibel.

Ein Kümmel hat in der Regel maximal 32 Prozent Alkohol, ein Aquavit muss mindestens 37,5 Umdrehungen haben. Viele der hochwertigen Aquavits werden auch nicht mehr kalt getrunken. "Ein eisgekühlter Malteser zu einem Bier ist immer noch eine Delikatesse", betont Deibel. Bei manch anderer Spirituose wäre es aber zu schade, deshalb rät er, sie bei Zimmertemperatur etwa in einem nach oben geöffneten Nosing-Glas zu genießen. Als besondere Spirituosen empfiehlt er zum Beispiel die limitierte Auflage von Helbing aus Hamburg, Aalborgs Jubiläums-Akvavit oder Nordguld, in dem sich ein Destillat von Bernstein findet. "Das ist etwas ganz Besonderes", stellt der Experte fest.

Dank hoher Qualität ist das Imageproblem wohl bald gelöst. "Aquavit ist allerdings kein prestigeträchtiges Produkt", sagt Deibel. Die Flasche eines guten Produkts kostet zwischen 15 und 20 Euro - zu wenig, um einen Hype zu entfachen. Martina Stöcker

(RP)
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