Bamako/Timbuktu Archivare in Mali retten wertvolle Handschriften vor Islamisten

Bamako/Timbuktu · Behutsam nimmt Abdel Kader Haidara eine Pappschachtel aus dem Regal und öffnet sie. "Eine Sammlung von losen Blättern", sagt der malische Archivar. Er hebt die ersten Blätter hoch: Sie sind vergilbt und an den Rändern von Termiten zerfressen. "Dieses Manuskript kann gerettet werden", sagt Haidara. "Aber der Zustand von einigen ist so schlecht, dass nichts mehr zu machen ist."

Die Handschriften stammen aus der Wüstenstadt Timbuktu in Mali, die ältesten sind aus dem 12. Jahrhundert. Im Januar 2013 hätten islamistische Rebellen der Ansar Dine ("Verteidiger des Glaubens") den Kulturschatz fast vernichtet. Aber die Bewohner von Timbuktu waren schneller als die Aufständischen, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehen.

Heimlich brachten sie rund 285 000 Manuskripte in die Hauptstadt Bamako, etwa tausend Kilometer weiter südlich. "Das war sehr, sehr gefährlich", sagt Haidara, der die abenteuerliche Rettung anstieß und damit sein Leben aufs Spiel setzte. Jetzt steht der immer freundliche Archivar in einem unscheinbaren Haus in Bamako, dem eilig eingerichteten Übergangsarchiv für die wertvollen Handschriften.

Nachdem islamistische Kämpfer im Juni 2012 die ersten Mausoleen in Timbuktu geschändet hatten, läuteten bei Haidara die Alarmglocken. Zusammen mit rund 100 Helfern schmuggelte der Archivar in acht Monaten die meisten Handschriften nach und nach aus der Stadt. Die Boten flohen auf Eseln, in Geländefahrzeugen und in Pirogen auf dem Niger-Fluss. Dabei wurden sie immer wieder von den Rebellen der Ansar Dine mit vorgehaltener Waffe kontrolliert.

Als die islamistischen Kämpfer in der Bibliothek von Timbuktu Ende Januar 2013 dann tatsächlich Feuer legten, waren fast alle Handschriften weg. "Nur rund 4000 haben wir verloren", berichtet Haidara. In Bamako stecken die meisten der geretteten Manuskripte immer noch in den Metallkisten, in denen sie ihre abenteuerliche Flucht überstanden.

Nach und nach werden sie nun aus diesen Kisten geholt und zum Schutz vor Feuchtigkeit und Zerfall in maßgeschneiderte Boxen aus säurefreier Pappe gelegt. Dann werden sie digitalisiert, um sie der Forschung zugänglich zu machen. Das alles wird auch mit deutschem Geld finanziert, es kommt vom Auswärtigen Amt und der Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung.

Die Oase Timbuktu mit ihren 55 000 Einwohnern wirkt wie aus der Zeit gefallen: Nichts als Lehmbauten und enge Gassen, nur in den Randbezirken steht hier und da ein Haus aus Beton.

Im 15. und 16. Jahrhundert erlebte Timbuktu als Umschlagplatz im Karawanenhandel eine wirtschaftliche Blüte und war ein internationales Zentrum islamischer Gelehrsamkeit, vergleichbar einer mittelalterlichen Universität.

Die erhaltenen Manuskripte sind teils auf Papier, teils auf Ziegen- oder Kamelhaut oder auch auf Knochenplatten verfasst. Viele sind in Privatbesitz. Die ältesten stammen aus dem 12. Jahrhundert. Die auf Hocharabisch oder in der Hirtensprache Fulbe verfassten Texte behandeln religiöse, juristische, volkskundliche oder wissenschaftliche Themen.

(epd)
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