Düsseldorf Alte Bücher – fit für die Digitalisierung

Düsseldorf · In der Restaurierungswerkstatt der Düsseldorfer Uni-Bibliothek rettet ein Team alte Bücher vor dem Zerfall und bereitet sie für eine Digitalisierung vor. Vor allem Geisteswissenschaftler sind auf Originale aus früheren Zeiten angewiesen.

Originale Bücher aus Mittelalter oder Renaissance mögen eine Ausstellung bibliophiler Kostbarkeiten zieren – für die Wissenschaft aber haben sie keinen Wert, weil ihre Inhalte längst überholt sind. Nein, diese Feststellung würde in der Restaurierungswerkstatt der Düsseldorfer Universitäts- und Landesbibliothek niemand unterschreiben, denn alle Erfahrung spricht dagegen. Vor allem Geisteswissenschaftler verlangen nach Büchern aus lange zurückliegenden Epochen, aber auch Medizinhistoriker sind auf die Arbeit von Restauratoren angewiesen.

Für Historiker, ob kulturell oder naturwissenschaftlich ausgerichtet, ist es von Interesse, was man im Mittelalter über die Wirkstoffe in pflanzlichen Arzneien wusste oder wie aus heutiger Kenntnis falsche Informationen über den Verlauf einer Schlacht über Generationen hinweg weitergetragen wurden. Vor diesem Hintergrund sind manche der alten Bücher so aktuell, dass sie restauriert und damit oft auch für eine Digitalisierung vorbereitet werden. Forscher können darauf dann am Laptop zugreifen. Wenn es auf Details ankommt, ist es zuweilen sogar unumgänglich, das Original in die Hand zu nehmen. Das Team um Ulrich Schlüter, der in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf die Restaurierungswerkstatt samt Buchbinderei leitet, ist also kein exotisches Anhängsel eines umfangreichen Ausleihbetriebs, sondern eine jener Abteilungen, die Forschung und Lehre erst ermöglichen.

Wie nah uns die durch Bücher überlieferte Vergangenheit steht, das demonstriert Schlüter mit der Illustration der Redewendung "ein Buch aufschlagen". Er legt eines seiner frisch restaurierten Objekte auf den Tisch, schlägt kurz mit der Faust auf den Buchdeckel – und siehe da: Die Schließe, die bis dahin die Seiten des Buches fest zusammenhielt, löst sich unter dem kurzen Druck und gibt die Seiten zum Lesen frei – das Buch ist aufgeschlagen.

Jene Schließe hat unter den Händen des Restaurators ihre verrostete Vorgängerin ersetzt und sorgt jetzt dafür, dass das Buch wieder funktioniert. Im Vergleich zur Bearbeitung des Papiers war das noch die leichtere Übung. "Tintenfraß" lautet oft die Diagnose, wenn Schlüter ein Buch zur Restaurierung aus den Altbeständen der Uni-Bibliothek erstmals in die Hand nimmt. Ein Mönch des 12. Jahrhunderts hat da seine Feder zu tief und zu lange ins Tintenfass getaucht und damit Bestandteile des Farbstoffs aufgenommen, die das Pergament auf die Dauer zerstören. Will man so etwas reparieren, muss man die Lage erst einmal chemisch analysieren. Wer da einen Fehler macht und eine falsche Therapie beginnt, hat unter Umständen das Buch vernichtet.

Zur Restaurierung eines Buches gehört auch der Auftrag von Blattgold. Mit Hilfe eines Vergoldestempels wird die Substanz mit einem Bindemittel aufgetragen.

Die Uni-Bibliothek besitzt gut 400 Handschriften, rund 80 neuzeitliche Buchhandschriften, etwa 750 Handschriftenfragmente, knapp 1000 Wiegendrucke, 4000 Drucke des 16. Jahrhunderts, 7400 des 17. und etwa 25 000 des 18. Jahrhunderts. Da ist es nicht leicht zu entscheiden, welches der bedürftigen Bücher als nächstes drankommt. Im vorigen Jahr haben 189 Objekte die Werkstatt durchlaufen, zudem wurden 371 Restaurierungen sowie 960 Instandsetzungen (vor allem Buchbindungen) an auswärtige Werkstätten vergeben.

Die Restaurierungswerkstatt der Uni hat in der Fachwelt einen guten Ruf; mehrere Preise künden davon. Sie ist auch Ausbildungsbetrieb für angehende Buchbinder. Wer sich auf höherer Ebene mit Restaurierung befassen möchte, dem bieten Fachhochschulen eine Ausbildung zum Diplom-Restaurator an.

Katharina Talkner, Leiterin des Dezernats Historische Sammlungen, weist darauf hin, dass im Zusammenhang mit Restaurierungen von Büchern zahlreiche Entscheidungen notwendig sind, die über das Handwerkliche hinausgehen. Talkner: "Ein Buch in seinen Originalzustand zurückzuversetzen, so dass es wieder wie neu aussieht, ist heute in der Restaurierung nicht mehr üblich. Vielmehr wird versucht, so viel wie möglich von der Gebrauchsgeschichte des Buches zu erhalten und nur so weit einzugreifen, dass das Buch wieder benutzbar ist." Wenn also ein Buch Kriegsbeschädigungen etwa in Gestalt von Granatsplittern aufweist, bleiben sie erhalten – als Geschichte des Buches. Schon die Römer wussten, dass Bücher ihre eigenen Schicksale mit sich tragen.

(RP)
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