Krefeld An der Fachhochschule zum Doktortitel

Krefeld · Eigentlich haben nur Universitäten in Deutschland das Promotionsrecht. Den Doktortitel gibt es nur dort. Wie es dennoch möglich ist, an einer Fachhochschule zu promovieren, zeigt die Hochschule Niederrhein.

Björn Lewandowski forscht an der Hochschule Niederrhein über die Anreicherung wertvoller Mineralien im sogenannten Flotationsprozess. In den kommenden drei Jahren wird er dazu seine Dissertation schreiben. Das Besondere: Eigentlich kann man an Fachhochschulen nicht promovieren. Denn einzig die Fakultäten der Universitäten haben in Deutschland das Promotionsrecht. An der Hochschule Niederrhein ist dies über eine enge Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen dennoch möglich. "Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Niederrhein, forsche und arbeite in den Laboren in Krefeld, werde aber von einem Professor in Essen mitbetreut", sagt Lewandowski.

Der 25-Jährige hatte im Jahr 2010 an der Hochschule Niederrhein ein duales Studium als Chemieingenieur begonnen und gleichzeitig eine Ausbildung als Chemikant absolviert. "Ich konnte mir von Anfang an durchaus vorstellen, länger in der Forschung zu bleiben, da ich mich gern in neue komplexe Sachverhalte einarbeite und versuche, diese zu lösen", sagt er. "Da ich aber als Erster aus meiner Familie überhaupt studiert habe, wusste ich ja noch nicht, was mich erwartet. Mit Beginn des Masterstudiums war mir aber klar, dass ich eine Promotion anschließen möchte."

Durch diverse Projektarbeiten hatte Lewandowski bereits Kontakte zu anderen Doktoranden der Hochschule und wusste, wie gut die Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen funktioniert. "Wir haben exzellente Studenten, und die sollen auch die Möglichkeit haben zu promovieren", sagt Anne Vollmers, Referentin für Forschungsförderung an der Hochschule Niederrhein. "Mit Duisburg-Essen haben wir ein Kooperationsabkommen im Bereich Chemie. Die dortigen Professoren wissen, wie gut unsere Studenten und deren Forschungsvorhaben sind. Und natürlich ist immer auch einer unserer Professoren Mitbetreuer der Promotion, die dann offiziell aber an der Universität angemeldet wird."

Auch Lewandowski ist nur in Essen, um etwa an regelmäßigen Treffen mit anderen Doktoranden des dortigen Fachbereichs teilzunehmen. "Die bieten wir auch über unser Promotionskolleg an", sagt Vollmers. "Denn schließlich ist es immer noch etwas Besonderes, an der Fachhochschule zu promovieren. In manchen Fachbereichen gibt es vielleicht auch nur einen einzigen Doktoranden - das kommt an Unis weit weniger vor. Über das Promotionskolleg können sich unsere Doktoranden vernetzen und außerdem an Seminaren zum wissenschaftlichen Schreiben oder zu Englisch und Statistik teilnehmen."

Nicht nur in Chemie, auch in allen anderen Fachbereichen ist es möglich, in Kooperation mit einer Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu promovieren. Die Fachhochschule sei schließlich daran interessiert, ihren wissenschaftlichen Nachwuchs nicht an die Unis zu verlieren, sondern zu halten, sagt Vollmers. "Das geht beispielsweise über Forschungsprojekte, die über Drittmittel finanziert sind. Das sind meist ohnehin Kooperationsprojekte mit der Industrie und Universitäten, in denen unsere Studenten dann angestellt sind und so automatisch die entsprechenden Kontakte haben.

Ansonsten kann man sich aber auch selbst für sein Forschungsvorhaben die entsprechenden Kontakte an den Unis suchen - unsere forschungsstarken Professoren verfügen da meist über sehr gute Beziehungen." Zudem sei der Betreuungsschlüssel viel besser als an den Universitäten - schließlich hätten viele Professoren nur einen einzigen Doktoranden.

Wer sich an der Fachhochschule mit dem Gedanken an eine Promotion trägt, sollte sich frühzeitig im Masterstudium an einen Professor wenden. "Es geht auch um die Finanzierung - und das klappt natürlich am besten mit einer Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter", sagt Anne Vollmers. "Bis die geschaffen sind, braucht es aber einen Vorlauf." So war es auch bei Lewandowski: Er hatte Glück und konnte für die Forschung an der Flotation von wertvollen Mineralien wie etwa Calciumfluorid, die mithilfe von Luftblasen aus Flüssigkeiten herausgelöst werden sollen, nach seinem Masterabschluss im Sommer 2016 eine Stelle als Mitarbeiter in der Chemischen Technik der Hochschule Niederrhein bekommen. "Ich hatte vorher im Rahmen meiner Masterarbeit an einem ganz anderen Feld geforscht und musste mich komplett neu einarbeiten. Aber das macht für mich auch den Reiz als Chemieingenieur aus."

Nach drei Jahren Promotion zieht es Lewandowski übrigens erst in die Industrie. Schließlich hat er seine Abschlussarbeiten immer in Kombination mit großen Unternehmen geschrieben. "Aber gerade die Lehre macht mir auch viel Spaß - und wer weiß: Nach einiger Zeit in der freien Wirtschaft kann ich mir durchaus vorstellen, wieder an die Hochschule zurückzukehren." Und das ist auch genau das Ziel der Hochschule Niederrhein: "Derzeit sind unsere Professoren selbst noch Uni-Absolventen", sagt Anne Vollmers. "Demnächst haben wir dann aber in Lehre und Forschung Menschen, die von der Hochschule kommen und ihre Besonderheiten - wie die enge Arbeit mit der Industrie - von Anfang an kennen und schätzen gelernt haben."

(RP)
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