Marco Maurer "Aufsteiger brauchen eigene Netzwerke"

Wie sich Kinder und Familien ohne akademischen Hintergrund für ihre Ziele stark machen können.

 Buch-Autor Marco Maurer stammt selbst aus sogenannten kleinen Verhältnissen.

Buch-Autor Marco Maurer stammt selbst aus sogenannten kleinen Verhältnissen.

Foto: dpa

München (dpa) In Deutschland studieren weit mehr Akademikerkinder als Kinder von Eltern, die nicht studiert haben. Das kritisiert der Autor und Journalist Marco Maurer (35) in seinem Buch "Du bleibst, was du bist". Im Interview spricht Maurer über die Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems und zeigt, wie sich Kinder und Familien ohne akademischen Hintergrund für ihre Ziele stark machen können.

Ihr Buch heißt "Du bleibst, was du bist". Was bedeutet das?

Maurer Laut der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks beginnen 77 Prozent der Akademikerkinder ein Studium, bei nicht-akademischen sind es 23 Prozent. Wir sagen schon Kindern im Alter von zehn Jahren: "Ihr seid nicht gut genug für die Realschule, fürs Abitur oder insgesamt für eine weiterführende Schule." Und das geht aufs Selbstwertgefühl. Die größte Hürde für den Bildungsaufstieg ist in Deutschland aber das eigene Milieu. Wenn dort klassische Bildung nicht wichtig ist, dann wird häufig auch keine akademische Karriere angestrebt.

Was machen Eltern, die ein begabtes Kind haben, das nicht gefördert wird?

Maurer Was immer hilft: sich Autoritäten zu widersetzen. Das heißt: Schulempfehlungen nicht annehmen. Ist doch ganz klar: Wenn ein Akademikerkind nur eine Realschulempfehlung bekommt, dann kommt die Mutter vorbei und droht im schlimmsten Fall mit einem Rechtsanwalt. Die Bildungsfernen schlucken das oft einfach. Also: sensibel für solche Dinge sein, sich nicht alles sagen lassen. Notfalls kann man auch als Beobachter eingreifen. So funktionierte es bei Cem Özdemir. Als dessen Lehrerin bei einem Elternabend zu seiner Mutter sagte: "Bei Cem ist es doch egal, ob er sitzenbleibt oder nicht. Den schicken sie sowieso zurück in die Türkei", half der Nachbar, ein Lehramtsreferendar. Er war empört über den Vorfall und überzeugte die Lehrerin, Özdemir in die zweite Klasse zu versetzen.

Welche Hürden gibt es für ein Kind aus einem bildungsfernen Milieu?

Maurer Wenige aus nichtakademischen Milieus gehen an die Universität. Das liegt daran, dass man sich oft nicht zutraut, sich das Studium finanziell leisten zu können. Es kostet noch mehr Kraft, wenn ich neben meinem Studium arbeite und Geld dazuverdienen muss. Viele brechen ihr Studium dann ab. Die anderen haben häufig ihre Eltern und damit Kapital im Rücken.

Was können Studenten tun, um ihre Lage zu verbessern?

Maurer Am besten, man beginnt in der Branche, in der man später mal arbeiten möchte, niederschwellig zu arbeiten. Dort kann man erstes Geld verdienen und schon mal ein Netzwerk knüpfen. Das heißt: eher nicht in der Kneipe neben dem Studium arbeiten. Denn wichtig ist, dass man schon mal ein bisschen Geld verdient und in die Branche hineinkommt, dort Leute kennt.

(DPA-TMN)
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