Kolumne Aus dem Dozenten-Leben: Dämliche Verzierungen

Kürzlich war an dieser Stelle von den ausgefeilten Strategien zu lesen, mit denen Studenten Klausuren vorbereiten mit dem Ziel, die Person, die die Klausur korrigiert, milde zu stimmen. Auch meine Studenten scheinen sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihre Arbeiten optisch aufwerten können.

So erhielt ich mehrere Hausarbeiten zum Nibelungenlied, die mit Bildern geschmückt waren. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn die Abbildungen den Inhalt ergänzen. Doch eine Arbeit war mit ausgesprochen kitschigen Illustrationen des späten 19. Jahrhunderts zum Streit zwischen Kriemhild und Brunhild sowie Siegfrieds Drachenkampf geschmückt.

Letzterer kommt im Nibelungenlied gar nicht vor, und die Entstehungszeit der Bilder liegt schlappe 700 Jahre nach dem Text. Sie habe das Thema mal gegoogelt, da seien die Bilder gekommen, meinte die Verfasserin der Arbeit. Ein anderer Student wollte mich wohl wenigstens mit authentischer Mittelalterkunst erfreuen und schmückte seine Nibelungen-Hausarbeit mit Abbildungen aus einer illustrierten Handschrift des "Parzival".

Das ist aber eine Dichtung aus dem Artuskreis. Die beiden haben so viel gemeinsam wie "Tatort" und "Traumschiff". Um also nicht jedes Mal erklären zu müssen, was an der Bebilderung nun falsch oder schlicht dämlich ist, bat ich in diesem Semester um Arbeiten ohne Abbildungen. Jetzt hatte ich die erste auf dem Tisch: im Vierfarbdruck. Hier hatte die Studentin das schmückende Beiwerk selbst gestaltet, alle Zitate in Rot, die Überschriften in Grün; auch Blau, Violett und Ocker sind vertreten.

Schön bunt. Nur beim Inhalt, da sehe ich schwarz.

(RP)
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