Studenten-Kolumne Bitte nicht reinrufen!

Die Vorlesung ist gut besucht. Ich muss zugeben: Das liegt weniger an uns jungen Menschen als an den Studierenden im etwas fortgeschrittenen Alter. Aber plötzlich sind sie da. Auf unbequemen Stühlen sitzen sie dicht gedrängt, und einige lesen im Hörsaal noch schnell ihre Zeitung, während sie auf den Professor warten.

Dann beginnt die Vorlesung.

Die Zeitung weicht der mitgebrachten Schreibausrüstung. Die einen vertrauen noch auf Stift und Notizbuch, während die anderen, mit Tablet und Smartphone ausgerüstet, einigen von uns technisch durchaus überlegen sind. Überlegen sind sie uns auch, was die Häufigkeit der Vorlesungsbesuche angeht. Während die Jüngeren früher oder später die fehlende Anwesenheitspflicht ausnutzen, harren die Älteren aus. Spätestens wenn sich das Semester dem Ende zuneigt, blickt man auf ein Meer aus grauen und weißen Haaren. Und auf Menschen, die zu vielen Aussagen eine ganz eigene Verbindung haben, etwa zu dieser: "Himmler wurde 1900 geboren." "Mein Vater auch!", ruft der Zeitungsleser aus der ersten Reihe.

Nur ans Melden will sich die ältere Generation einfach nicht gewöhnen. Humorvoll verzweifelt fügt der Professor schon jeder seiner Fragen mindestens ein "Nicht reinrufen!" an. Vielleicht liegt es am nachlassenden Hörvermögen, dass das mit dem Melden nie funktioniert, auch nicht bei der nächsten Frage: "Schweiz", so ruft ein älterer Herr die richtige Antwort durch den Hörsaal. Wieder mal unangemeldet. Allgemeine Heiterkeit.

Nur eine Seniorin in der ersten Reihe wirkt irritiert, tastet nach ihrem Hörgerät und fragt ungeduldig in die plötzliche Stille: "Was war's denn nu?"

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort