Interview: Hans-Hennig Von Grünberg "Das Deutschlandstipendium ist ein Türöffner"

Der Präsident der Hochschule Niederrhein verteidigt das von Bund und Unternehmen finanzierte Programm gegen Kritik.

Krefeld/Mönchengladbach (RP) Seit drei Jahren vergeben Hochschulen ein Stipendium für begabte Studierende, das je zur Hälfte vom Bund und von privaten Förderern finanziert wird. Es hat viel Lob gefunden, aber auch Kritik wegen seines hohen Verwaltungsaufwands hervorgerufen.

Herr Professor von Grünberg, Sie sind als Präsident der in Krefeld und Mönchengladbach ansässigen Hochschule Niederrhein ein Verfechter des Deutschlandstipendiums. Warum?

von Grünberg Weil die Vermittlung der Stipendien durch die Hochschule eine wichtige Türöffnerfunktion hat und wir so näher an die Unternehmen der Region herankommen. Wir haben ja als Hochschule die zentrale Aufgabe, zu vermitteln zwischen den Unternehmen, die 150 Euro pro Monat zahlen, und den Studenten, die dieses Geld bekommen - zuzüglich 150 Euro vom Bund. Das ist für uns ein weiterer, guter Anlass, mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen.

Und diese Nähe ist für Sie wichtig?

Von Grünberg Als Fachhochschule brauchen wir diese Nähe zur Wirtschaft mehr denn je. Die Transfer-Idee, Wissen aus der Hochschule in die Wirtschaft zu bringen und damit die Lehre in unseren arbeitsmarktorientierten Studiengängen anzureichern - das ist das wesentliche Alleinstellungsmerkmal der Fachhochschulen und setzt die Nähe zur Wirtschaft voraus. Im Übrigen gefällt mir der grundsätzliche Ansatz des Stipendiums: Nicht allein der Staat, auch die private Hand muss Verantwortung für die akademische Ausbildung junger Menschen übernehmen.

Die Unternehmen können selbst bestimmen, in welchen Fachrichtungen sie Studenten fördern. Sehen Sie darin die Gefahr einer Beeinflussung?

von Grünberg Nein. Problematisch ist allenfalls, dass fast alle Förderer die technischen Fächer unterstützen wollen. Es gibt aber auch immer wieder Stipendiengeber, die es uns überlassen, in welchen Fachbereich wir die Stipendien geben. Und damit haben wir dann eine ausreichend große Verfügungsmasse, um ausgleichen zu können.

Deutschlandstipendium - das klingt zunächst sehr gut. Es gibt aber auch Kritik. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sagt zum Beispiel, es würden größtenteils nur sozial Bessergestellte gefördert, die das Geld gar nicht benötigen. Was sagen Sie dazu?

von Grünberg Das kann ich kaum glauben. Da es sich um ein Leistungsstipendium handelt, hieße das ja, dass vor allem die sozial Bessergestellten die Leistungsträger an den Hochschulen wären. Diese Erfahrung haben wir nicht gemacht. Mit Bafög werden Studierende aus einkommensschwachen Elternhäusern gefördert, das ist auch richtig so. Doch ist es auch ein gutes Zeichen, dass man mit dem Deutschlandstipendium einmal Leistung wahrnimmt und belohnt.

Die schärfste Kritik stammt vom Bundesrechnungshof. Er rügte die Verwaltungskosten des Deutschlandstipendiums: Für 2013 stellte der Bund 21 Millionen Euro an Stipendienmitteln zur Verfügung und dazu sage und schreibe 5,6 Millionen für Durchführung und Verwaltung. Ist das nicht ein Missverhältnis?

von Grünberg In der Tat ist das ein verwaltungsintensives Vergnügen. Wir bekommen als eine Entschädigung für unseren Verwaltungsaufwand einen Betrag von jährlich etwa 23 000 Euro, was aber nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten darstellt. Wir als Hochschule zahlen kräftig zu. Wir tun das aber gern, eben weil uns der genannte Mehrwert der Türöffnerfunktion so wichtig ist.

Gehen Sie selbst auf Unternehmen zu und werben Fördermittel ein?

von Grünberg In den ersten Jahren habe ich noch persönlich geworben. Ich spreche auch gerne darüber, weil ich möchte, dass die Unternehmen sich für uns interessieren und erkennen, dass dies eine von vielen Möglichkeiten ist, mit uns in Kontakt zu treten.

Es gibt den Einwand, 300 Euro seien zu wenig. Ist das so?

von Grünberg Monatlich 300 Euro sind natürlich zu wenig, um davon leben zu können. Andererseits ist es ein gutes Zubrot, und ich weiß von Studenten, die dank des Stipendiums nicht mehr nebenbei jobben müssen. Wir haben 187 Stipendiaten, das sind 1,3 Prozent der Studierenden. Es betrifft also nur wenige. Aber mit dieser Förderquote liegen wir bundesweit im Spitzenfeld.

Was könnte man am Deutschlandstipendium verbessern?

von Grünberg Man sollte den Hochschulen eine deutlich höhere Verwaltungspauschale zahlen, damit sie motiviert werden, eine ganze Stelle für die Stipendieneinwerbung und -verwaltung einzurichten.

Sind die Förderer zufrieden?

von Grünberg Ja, zum weit überwiegenden Teil. Und sehr zufrieden sind sie, wenn sie das Stipendium als Rekrutierungswerkzeug weiterentwickelt haben. Sie laden "ihre" Stipendiaten häufig zu sich in die Firma ein, werben für sich und stellen typische Berufsbilder vor. Etliche dieser Stipendiaten schreiben ihre Abschlussarbeit in Kooperation mit dem sie fördernden Unternehmen, und einige haben dort später sogar eine Anstellung gefunden. So finden die Firmen - vor allem der regionale Mittelstand - Zugang zu unseren Studenten. Etliche Unternehmer sind als Förderer sogar schon in der vierten Runde dabei.

BERTRAM MÜLLER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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