Düsseldorf Der Hochschullehrer aus dem Rechner

Düsseldorf · Unentgeltlich Vorlesungen bei Professoren aus der ganzen Welt zu belegen – das ermöglichen "Massive Open Online Courses", abgekürzt MOOCs. In den USA sind sie längst üblich, in Deutschland verbreiten sie sich gerade.

 Der Mathematik-Professor Jörn Loviscach in einem seiner viel geklickten Vorlesungsvideos auf YouTube.

Der Mathematik-Professor Jörn Loviscach in einem seiner viel geklickten Vorlesungsvideos auf YouTube.

Foto: Screenshot

Ob "Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung", "DNA – From Structure to Therapy", "Grundlagen des Marketing" oder "Imagining Other Earths": All diese Vorlesungen von Universitäten aus aller Welt kann man besuchen – unentgeltlich über das Internet. Denn sie stehen als so genannte MOOCs auf Plattformen wie Coursera, edX und Iversity. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um diese Art der Online-Lehre.

Welche Arten von MOOCs gibt es? Grundsätzlich sind MOOCs Vorlesungen, die so an Universitäten in aller Welt gehalten werden – im Angebot sind auch solche der US-Spitzenunis Princeton und Stanford. Das Spektrum reicht von abgefilmten Vorlesungen bis zu solchen mit eingestreuten Fragen oder anschließenden Tests. Wie im normalen Uni-Betrieb erstrecken sich die Vorlesungen über mehrere Wochen. Wer MOOCs aus vorherigen Semestern ansieht, kann dies natürlich in seinem eigenen Tempo tun. Viele schnuppern einfach nur rein. So haben manche MOOCs am Anfang 200 000 Teilnehmer, am Ende bleiben noch 10 000 übrig. Das ist für viele Hochschulprofessoren aber immer noch weitaus mehr, als sie mit ihren regulären Kursen je erreichen würden.

Wie gut sind die MOOCs? "Es gibt gute und schlechte MOOCs. Aber gerade bei Massenfächern sind häufig die Online-Angebote besser", sagt Jörg Dräger, Geschäftsführer des CHE Centrum für Hochschulentwicklung. "Simulationen und Quizfragen machen sie interaktiver als eine reine Vorlesung, und wenn man etwas nicht verstanden hat, spult man zurück." Manche MOOCs bieten sogar die Möglichkeit, die Lerner miteinander in Foren oder über Skype zu vernetzen. "Das sind die sogenannten cMOOCs, im Sinne von 'c' wie 'connected'", so Dräger.

Was nutzt eine Teilnahme? Selbstverständlich kann man einfach in verschiedene MOOCs hineinschauen und nur das weiter ansehen, was einen interessiert. Bei manchen MOOCs gibt es aber sogar Zertifikate, wenn man Prüfungen am Ende des Kurses absolviert. "Die lassen sich die Universitäten dann allerdings auch bezahlen", sagt Jörg Dräger. MOOCs würden häufig von bereits Berufstätigen als Weiterbildung genutzt. "Aber auch Studenten, die bestimmtes Spezialwissen an ihrer eigenen Hochschule nicht geboten bekommen, nutzen die Online-Vorlesungen." Zudem habe man schließlich die Chance, Spitzenwissenschaftler der weltweit besten Universitäten unentgeltlich zu hören.

Wie gut sind die MOOC-Studenten? Sebastian Thrun, deutscher Professor für künstliche Intelligenz an der Stanford University, ist ein Vorreiter in Sachen MOOCs. Er verglich die Ergebnisse seiner sorgfältig ausgewählten Stanford-Studenten mit denen der MOOC-Teilnehmer: Unter den Top-100 Prüfungsergebnissen war kein einziger Stanford-Student.

Warum sind die MOOCs gerade in den USA so beliebt und verbreitet? Dräger erklärt die Gründe: "In den USA ist das Studium inzwischen sehr teuer, da suchen sich die Studenten kostengünstige Alternativen. Zudem gibt es in Schwellenländern wie etwa Indien nicht genug Studienplätze, da wird auch gern online studiert. Diese Probleme haben wir in Deutschland mit unserem kostenfreien und flächendeckenden Studienangebot nicht." Daher werde das MOOC-Angebot hier nicht so stark vorangetrieben, auch wenn höhere Qualität und Flexibilität der Online-Vorlesungen eine Rolle spielten.

Welche deutschen MOOCs gibt es? Auf der Plattform Iversity.org finden sich auch Angebote deutscher Hochschulen. Rund 80 000 Teilnehmer hat die Vorlesung "The Future of Storytelling" von der Fachhochschule Potsdam. "Diese Angebote sind normalerweise solch einem großen Publikum nicht zugänglich", sagt Dräger. Und für die FH Potsdam bedeute es einen Imagegewinn. "Bisher sind es aber einzelne engagierte Professoren, die MOOCs erstellen. Die Videos des Mathematikprofessors Jörn Loviscach von der FH Bielefeld wurden weltweit bereits rund zwölf Millionen Mal bei YouTube aufgerufen – einfach weil er das Thema gut erklären kann." Dahinter stecke aber noch keine Strategie der Hochschulen. Die müssten das Thema MOOCs erst noch in ihre Entwicklungskonzepte integrieren.

Wo stehen wir in der Entwicklung der MOOCs? Noch am Anfang, wenn es nach dem CHE-Geschäftsführer geht. "In Zukunft werden die MOOCs zu POOCs – also personalisiert. Die Software wird erkennen, wo Lücken beim Lernenden sind, und ihn gezielt an die Stellen führen, die für ihn entscheidend sind."

(RP)
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