Berlin Diplomat - ein Amt fürs Leben

Berlin · New York, Istanbul, Ulan-Bator: Diplomaten arbeiten überall. Der Weg in diesen Beruf ist schwer.

Etwas zögernd tritt Kim-Mailin Weinrich vor die Kamera. "Wo soll ich hin?", fragt sie. Dann geht es schon los. Weinrich erklärt einer griechischen Journalistin, dass es keinen "Grexit", also kein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion, geben werde. Sie argumentiert für den Verbleib des Landes in der Eurozone, wirkt souverän und spricht, ohne sich zu verhaspeln. Dabei hätte die junge Frau ruhig patzen können. Denn die griechische Journalistin ist gar keine griechische Journalistin, das Interview nur eine Übung. Wir sind in der Akademie Auswärtiger Dienst am Tegeler See in Berlin.

Weinrich ist eine von 48 Attachées, die ihren Vorbereitungsdienst zum Diplomaten absolvieren. Diplomat ist keine offizielle Berufsbezeichnung, aber ein oft verwendeter Begriff für die Auslandsvertreter. Im höheren Auswärtigen Dienst sollen Diplomaten deutsche Außenpolitik aktiv mitbestimmen. Sie vertreten Deutschlands Interessen im Ausland, arbeiten in Vertretungen in aller Welt. Kulturreferent in Frankreich, Botschafter in Namibia - die Tätigkeiten sind vielfältig. "Das ist keine Entscheidung nur für einen Beruf, das ist eine Entscheidung für einen Lebensweg", sagt Kai Baldow, Ausbildungsleiter des höheren Dienstes.

Für Menschen mit Fernweh klingt das nach einem Traumjob. Alle paar Jahre ein neues Land, eine neue Aufgabe, verbunden mit finanzieller Sicherheit. Diplomaten sind Beamte, das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung variiert zwischen 4000 und 11 000 Euro - abhängig von Einsatzort, Familienstand und Zahl der Kinder. Und auch der Ruf von Diplomaten ist nicht schlecht. Baldow warnt: "Wer nur aus Statusdenken heraus diesen Beruf anstrebt, wird wahrscheinlich nicht erfolgreich und auch nicht zufrieden sein."

Rund 2000 Bewerber gibt es jedes Jahr. Sie konkurrieren um etwa 40 Plätze. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium, mindestens ein Master ist Pflicht, die Fachrichtung ist nicht entscheidend. Neu in diesem Jahr ist ein Vorverfahren: Wer die Voraussetzungen erfüllt, muss einen Online-Test bestehen, bei dem es um intellektuelle Fähigkeiten geht. Wer besteht, wird zum schriftlichen Auswahlverfahren eingeladen. Dabei sind Kenntnisse in Wirtschaft, Geschichte oder Staatsrecht gefragt. Erfolgreiche Bewerber bekommen eine Einladung zur mündlichen Prüfung. Ein Gespräch mit einem Psychologen oder Rollenspiele stehen auf dem Plan.

Dann heißt es warten. Kim-Mailin Weinrich wusste, dass der mit Spannung erwartete Brief um die Weihnachtszeit herum ankommt. Sie war damals in Mexiko und bat ihre Familie, auf die Post zu achten. Als bei den Mitbewerbern die Zu- und Absagen eintrudelten, Weinrichs Briefkasten aber leer blieb, wurde sie nervös. "Plötzlich hat mir meine Mutter morgens um sieben Uhr eine Nachricht geschrieben und gesagt, ich solle mal online gehen auf Skype", erzählt sie. Dann las ihr die Mutter den Brief vor, eine Zusage. "Ein ganz besonderer Moment", so erinnert sich die 26-Jährige. Nun absolviert sie den Vorbereitungsdienst. Er dauert 14 Monate und endet mit einer Laufbahnprüfung. Die Anwärter sind Beamte auf Widerruf. Sie haben Sprachunterricht, Rhetorikkurse, Seminare zu Geschichte oder Recht und Medienseminare.

Vor dem Übungsinterview war Weinrich nervös. Wenn sie später als Diplomatin in der Welt unterwegs ist, könnten Fernsehinterviews zu ihren Aufgaben gehören. Darauf wird sie hier vorbereitet. Weinrich wollte immer Diplomatin werden, studierte in Münster, Lille und Brügge - ist also schon ein bisschen herumgekommen.

Doch in Zukunft wird es sie wohl nicht nur nach Frankreich oder Belgien verschlagen. Auch Krisengebiete sind als Einsatzorte möglich. Micong Klimes erinnert sich ebenfalls an den Moment, als sie unterschreiben musste, dass sie bereit ist, sich uneingeschränkt versetzen zu lassen. "Da schluckt man schon noch mal." Die 39-Jährige hat 2004 ihre Ausbildung im Auswärtigen Amt begonnen. Seitdem war sie in Berlin, Südkorea und Genf und bearbeitete ganz unterschiedliche Themenbereiche: von russischer Wirtschaft bis zur Öffentlichkeitsarbeit. Heute ist sie Referentin für Israel in der Berliner Zentrale.

Das Auswärtige Amt erwartet Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Diplomaten müssen sich immer wieder in neue Themen einarbeiten, die Außenpolitik verschiedener Regierungen vertreten. "Und dann darf man auch nicht vergessen, dass das hier eine Behörde ist", sagt Klimes. In regelmäßigen Abständen können die Diplomaten auf einer Liste angeben, wohin sie gerne versetzt werden möchten - eine Art Wunschzettel. Nicht immer klappt das. "Doch das Personalreferat tut viel, macht viele Unterstützungsangebote auch für Familienangehörige und nimmt auf deren Belange Rücksicht", sagt Klimes.

Doch wie steht es mit der Familie bei den vielen Umzügen? Klimes ist nicht verheiratet, hat keine Kinder, einsam ist sie deshalb aber nicht. "Es ist nicht einfach, jemanden zu finden, der bereit ist, dieses Berufsleben zu teilen", erklärt sie allerdings. Partner müssten die Berufsentscheidung mittragen und wenn möglich "portable", also gemeinsam versetzbar sein.

(DPA-TMN)
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