Kolumne Professorenleben Googeln als Kompetenz
Kompetenz ist: Wissen, wo's steht. Erklärt Harald Lesch. Harald Lesch ist nicht blöd. Harald Lesch ist neben Ranga Yogeshwar Deutschlands prominentester Wissenschafts-Vermittler im Fernsehen. Außerdem Professor für Astrophysik.
Unter der Überschrift "Unser Schulsystem ist Mist!" hat er nun in einer zehnminütigen Youtube-Tirade gegen das deutsche Bildungssystem gewettert. Er vermisst, dass Abiturienten vor einfachsten Rechenaufgaben kapitulieren. Wie viel sind zehn Prozent Rabatt, wenn ein Produkt 49,90 Euro kostet? Antwort: "Das muss ich nicht wissen; das sagt mir mein Smartphone." Das wäre das Ergebnis der kompetenzorientierten Neudefinition schulischen Lernens. Die Schüler können nix mehr, aber sie wissen, wo sie nachsehen können. - Wenn einer wie er das neue Zauberwort des Bildungsbetriebs, nämlich Kompetenzen, als das komplette Gegenteil dessen versteht, was eigentlich mal damit gemeint war, dann zeigt das vor allem eins: Das allgegenwärtige Kompetenz-Gelaber in Verbindung mit flächendeckenden Kompetenz-Tests hat auch noch die letzten Reste von tatsächlich kompetenzorientiertem Unterricht aus unseren Schulen verdrängt. Zugunsten von kleinteilig dokumentierter, qualitätszertifizierter Kompetenz-Simulation. Dass Kompetenz eigentlich gerade das Gegenteil, nämlich Anwendungsorientierung und Motivation und selbstbewusstes Anpacken von Problemen meint - man kann Lesch keinen Vorwurf machen, dass ihm das im Gestrüpp feinziselierter Kompetenzniveaustufen, die heute Bildungsstandards und Modulhandbücher bevölkern, nicht aufgefallen ist. Er hat recht: Eigentlich käme es auf was anderes an. Etwas, das man eher zum Beispiel beim Theaterspielen lernt. Aber dafür fehlt die Zeit. Wir sollten sie uns wieder nehmen.