Krefeld Ingenieurin auf Probe

Krefeld · An der Hochschule Niederrhein können Abiturientinnen ab dem Wintersemester Studiengänge in den MINT-Fächern erst einmal testen. Zum Probestudium gehören auch Praxistage in Unternehmen der Region.

Seminar im Fach Verfahrenstechnik, Masterstudium: Zwischen den vielen männlichen Studenten sitzt eine Frau. In Elektrotechnik, Informatik oder Wirtschaftsingenieurwesen ist das Bild nicht viel anders: "Wir haben rund zehn Prozent Studentinnen in den Masterstudiengängen der MINT-Fächer", sagt Beate Brungs von der Hochschule Niederrhein. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Brungs leitet das MINT-Forum der Hochschule, dass die Studentinnen in den MINT-Fächern der Hochschule auf vielfältige Weise unterstützt. Nun soll ein spezielles Probestudium Abiturientinnen davon überzeugen, auch natur- oder ingenieurwissenschaftliche Fächer bei der Studienwahl in Betracht zu ziehen.

Angesprochen sind junge Mädchen, die sich nach dem Abitur oder Fachabitur noch unsicher sind, was sie studieren sollen. Viele wissen nicht, ob beispielsweise Maschinenbau wirklich etwas für sie ist. Obwohl Mädchen in der Schule nicht weniger begabt und interessiert sind in naturwissenschaftlich-technischen Fächern, ergreifen doch häufiger Jungs ein MINT-Studium.

Um dem entgegenzuwirken, können Mädchen ein Semester lang die Arbeitswelt einer Ingenieurin kennenlernen. "Schon in der Schule wählen viele Mädchen lieber Sprachen oder soziale Fächer. Dabei sind sie in Mathe und Co. genauso gut oder besser als die Jungen", sagt Beate Brungs. "Sich dann von den Freundinnen abzugrenzen und das Interesse für Informatik oder Chemie offen zu bekunden, fällt vielen schwer. Oft fehlt es an weiblichen Vorbildern in den MINT-Fächern, und ein Studium in diesem Bereich trauen sich die Mädchen nicht zu. Dabei braucht man mit einem guten Abi wirklich keine Berührungsängste zu haben."

Beate Brungs hat auch beobachtet, dass Schülerinnen oft keine Vorstellung von konkreten Berufsbildern nach einem MINT-Studium haben. "Sie möchten wissen, warum sie etwas machen oder lernen, was man praktisch damit machen kann." Und genau diesen Wunsch bedient auch das neue Probestudium: Denn drei Tage in der Woche verbringen die Studentinnen in einem Unternehmen und können so die Arbeitswelt kennenlernen. Nach einer förmlichen Bewerbung stehen den Abiturientinnen Studiengänge in den Fachbereichen Chemie, Elektrotechnik und Informatik, Maschinenbau und Verfahrenstechnik sowie Wirtschaftsingenieurwesen zur Wahl. Dazu passend wird in Kooperation mit der Hochschule Niederrhein ein Unternehmen gesucht: "Die Firmen sind etwa an Ingenieurinnen interessiert, denn man möchte gemischte Teams aufbauen", sagt Beate Brungs.

Los geht es mit dem kommenden Wintersemester. Dann starten die Probe-Studentinnen gemeinsam mit den regulären Studierenden ihr Teilzeit-MINT-Studium: Sie besuchen zwei Tage in der Woche Vorlesungen und Seminare an der Hochschule Niederrhein und sind drei Tage im Unternehmen. Ihr Status ist der einer Gasthörerin, für Kosten kommt die Gleichstellung der Hochschule auf. An Prüfungen nehmen sie nicht teil. Das Projekt dauert von September bis März - wer sich dann dafür entscheidet dabeizubleiben, kann sich Teile anrechnen lassen. Das Praktikum im Betrieb wird vergütet.

Anschließend haben die Studentinnen vier Optionen: "Sie können in Vollzeit studieren oder ein duales Studium in Kombination mit einer Ausbildung starten", sagt Beate Brungs. "Oder sie stellen fest, dass das Studium nichts für sie ist, sondern sie lieber praktisch arbeiten. Dann machen sie eine Ausbildung." Wer sich in den MINT-Berufen nicht wohlfühlt, studiert etwas ganz anderes - und muss sich keine Gedanken über eine Lücke im Lebenslauf machen. "Die Teilnehmerinnen sind Gasthörer, brechen also kein Studium ab. Und über das Projekt gibt es ein Zertifikat von uns und den Unternehmen." Verschenkte Zeit sei das Probestudium also in keinem Fall: "Zumal viele Abiturientinnen mit 17, 18 Jahren noch gar nicht genau wissen, was sie wollen."

Beate Brungs wird die Probe-Studentinnen auf ihrem Weg unterstützen - wie sie es auch mit den regulären MINT-Studentinnen der Hochschule Niederrhein tut. Das sogenannte MINT-Forum entstand vor zwei Jahren, um die jungen Frauen zu fördern und untereinander zu vernetzen. "Schon während des Studiums sollte man sich verbinden und wichtige Kontakte knüpfen", sagt Brungs.

Außerdem bietet das MINT-Forum Gesprächsangebote, Vorträge von Frauen aus der Wirtschaft und Workshops zu Themen wie Auftreten oder Stärken und Ziele. Um Mädchen schon in der Schule anzusprechen, betreuen Studentinnen auch regelmäßig verschiedene Klassen und konstruieren mit den Schülerinnen am hochschul-eigenen 3D-Drucker eine binäre Uhr.

Das Probestudium ist übrigens eine Idee aus Niedersachsen: Dort bieten es bereits einige Hochschulen für Abiturientinnen, die MINT-Fächer ausprobieren möchten, an. In NRW wurde es bisher schon erfolgreich an der Hochschule Ruhr West in Mülheim unter dem Motto "Mädchen testen MINT" umgesetzt.

(RP)
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