Kameras im Klassenraum

Die Uni Münster bietet angehenden Lehrern Videoanalysen an. Die sollen so ihren Auftritt vor den Schülern verbessern.

Zu undeutlich gesprochen, zu wenig Gestik, nicht gut genug erklärt oder ein aufzeigendes Kind schlichtweg übersehen: Fehler machen im Unterricht ist für angehende Lehrer, die noch nicht oft vor einer Klasse gestanden haben, ganz normal. Doch nun können Lehramtsstudenten an der Uni Münster ihren Unterricht besonders nachhaltig verbessern: Sie zeichnen sich selbst in der Klasse auf und analysieren in Didaktik-Seminaren, was schon ganz gut oder was schief gelaufen ist. Wo konnten die Kinder beim Lernen unterstützt werden? Wie gut hat die Lehrkraft die Klasse geführt?

Das Video-Projekt, dass eine Menge hochwertiger Technik voraussetzt, wurde zunächst im Rahmen des Projekts "Professionalisierung des pädagogischen Personals" des Bundesbildungsministeriums gefördert und kann nun durch eine weitere Unterstützung als Teil der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" von Bund und Ländern weitergeführt werden. Ayla Niehues ist eine der Studentinnen, die das Seminar "Die Rolle der Lehrkraft" samt Videoanalyse bereits absolviert hat. Und zunächst erging es der 24-jährigen angehenden Grundschullehrerin wie vielen Kommilitonen: "Wenn man etwas noch nicht gut beherrscht und dabei auch noch gefilmt werden soll, ist das zunächst ein unangenehmer Gedanke", sagt Niehues. "Im Bachelorstudium ist das Unterrichten für uns ja noch nahezu Neuland." Doch die Professoren Kornelia Möller (Didaktik des Sachunterrichts) und Manfred Holodynski (Psychologie in Bildung und Erziehung), die die Videoanalyse in ihre Seminare integrierten, konnten die Studenten schnell dafür begeistern und die erste Scheu nehmen. "Sie haben sich zunächst Videos von erfahrenen Lehrern im Unterricht angeschaut, die wir über ein Online-Portal auch anderen Hochschulen zur Ausbildung von Pädagogen zur Verfügung stellen", sagt Kornelia Möller. "Es ist ein wichtiger Aspekt der Lehrerausbildung, dass die Studierenden lernen, wie sie mit Hilfe von Videos ihren Unterricht verbessern können. Sie müssen einen professionellen Blick auf Unterricht bekommen und diesen auf lernbedeutsame Situationen hin analysieren lernen." Das heißt: Methoden, die in Uni-Seminaren theoretisch vermittelt wurden, lassen sich in den Videos wiedererkennen und auf gelungene Anwendung hin überprüfen. Die Studenten lernen, den Unterricht zu "lesen".

Und das hat dann auch Ayla Niehues mit ihrem eigenen Unterricht gemacht: Mit drei Grundschülern erarbeitete sie das Thema "Schwimmen und Sinken", es ging darum, welche Gegenstände im Wasser untergehen, und welche auf der Oberfläche treiben. "Auf die Stunde waren die Studierenden fachlich und fachdidaktisch sehr gut vorbereitet, und sie hatten eben nur eine kleine Schülergruppe mit bis zu fünf Kindern zu unterrichten", sagt Kornelia Möller. Außerdem hat sich keiner der Professoren, sondern nur eine kleine Studentengruppe die entstandenen Videos angesehen; gemeinsam unter Kommilitonen wurde das eigene Verhalten analysiert. "Mir ist gleich aufgefallen, dass ich oft die Arme vor der Brust verschränkt hatte", sagt Niehues. "Das ist für die Kinder keine einladende Körperhaltung." Auch habe sie sich zum Ende der Stunde hauptsächlich auf zwei der drei Kinder konzentriert, "da muss ich noch an einem besseren Überblick arbeiten".

Die Videoanalyse habe ihr die Möglichkeit gegeben, sich erstmals selbst als Lehrerin zu sehen, sagt die 24-Jährige. "Man kann beobachten, wie man mit den Kindern umgeht. Und ob man so rüberkommt, wie man es möchte." Diese Selbstreflexion sei für viele Studenten zunächst schwer gewesen, sagt Kornelia Möller. "Die Frage: ,Bin ich auch wirklich ein guter Lehrer?' stellt man sich zunächst nicht gern. Dabei bietet dieses Seminar im fünften Semester die Chance, an sich zu arbeiten. Und dafür haben die Studenten dann noch mal fünf Semester Zeit."

Viele der Seminar-Teilnehmer nutzen übrigens die Videotechnik der Uni Münster weiter, vor allem im Praxissemester. Sie können dann nämlich eine Kamera in die Schule mitnehmen und sich selbst filmen, um ihren Unterricht weiter zu analysieren und so zu verbessern. "Zum Beispiel kann man nur anhand eines Videos nachvollziehen, wie Körperhaltung, Mimik und Gestik eigentlich während der Schulstunde waren", sagt Ayla Niehues. "In der Stunde selbst hat man mit vielen anderen Dingen zu tun und kann darauf nicht achten." Und Kornelia Möller ergänzt: "Man kann auch sehen, warum manche Maßnahmen im Unterricht nicht funktioniert haben und warum die Klasse beispielsweise an einer bestimmten Stelle unaufmerksam wurde."

Selbstständiges Lernen fördern - das ist ein wichtiger Aspekt der Lehrerausbildung in Münster. "Die Kinder sollen durch eigenes Forschen und Entdecken lernen", sagt Kornelia Möller. "Und ob sie als Lehrer die Methoden dafür beherrschen, können unsere Studierenden über die Videos überprüfen." In Zukunft sollen weitere Fächer in der Lehramtsausbildung an der Westfälischen Wilhelms-Universität von der Videoanalyse profitieren. 1,6 Millionen Euro erhält die Uni dafür.

(RP)
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