Düsseldorf Liebe auf den ersten Klick

Düsseldorf · Dating-App statt Semesterparty - wie sich das Flirten auf dem Campus verändert hat.

Ein Strohhut, ein breites Grinsen, im Hintergrund eine Palme. Anna gefällt das Foto, und sie drückt auf das grüne Herz-Symbol. Match. Micha hat auf seinem Smartphone dieselbe Taste gedrückt. Ein Chat-Fenster öffnet sich. "Naa?" - "Selber naa." So beginnt die Geschichte von Anna und Micha. In einer Flirt-App fürs Handy. Dabei trennen sie eigentlich nur zwei Semester: Beide studieren Jura an derselben Fakultät.

Online-Dating mit Apps wie "Tinder", "Lovoo" und ähnlichen haben an Universitäten Konjunktur. Dabei war die Partnersuche im Internet bisher eigentlich eher Sache der älteren Generation: Laut einer Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) von 2013 war jeder zweite Nutzer von Online-Singlebörsen über 50 Jahre alt - nur knapp über fünf Prozent waren zwischen 20 und 30. Andere Ergebnisse hat jetzt Beziehungsforscher Aleksandar Yankov vorgelegt. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf führt derzeit zusammen mit Professor Ulrich Rosar eine Studie durch, die den Beziehungserfolg von jungen heterosexuellen Paaren untersucht. "20,6 Prozent der Befragten haben sich im Internet kennengelernt", sagt Yankov. Und das, obwohl gerade an den Universitäten ein persönliches Treffen so einfach möglich wäre.

Bei "Tinder" kann man den Suchradius einstellen. Das hat auch Anna gemacht. Auf den Profilfotos, die ihr angezeigt werden, hat sie schon oft Kommilitonen entdeckt. Micha kennt sie noch nicht. Die erste Verabredung ist zwei Tage später, zwischen zwei Vorlesungen in einem Café um die Ecke. Anna erkennt Micha sofort, auch ohne Strohhut. Früher trafen Studenten sich nach den Seminaren in der Raucherecke, in der Bibliothek, auf Studentenpartys. Heute bereitet oft das Handy den ersten Schritt vor. Laut Yankov verändern Dating-Apps jedoch keinesfalls die Partnersuche auf dem Campus. Sie eröffnen nur eine zusätzliche, viel effizientere Möglichkeit, einen Partner kennenzulernen: Flirten im Internet ist bequem - auch für Studenten. "Die Partnersuche online eröffnet auch solchen Studierenden, die kein so ausgeprägtes Sozialleben haben, die Möglichkeit, mehr potenzielle Partner kennenzulernen", sagt Yankov. Studium bedeute nicht immer Feiern und Partys. Das liegt auch an den verkürzten Studienzeiten, hervorgegangen aus der Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen. "Sie machen aus einem Studierenden einen Vollzeitbeschäftigten", so der Beziehungsforscher. Geflirtet wird zwischendurch, zeitsparend über eine App.

Anna hat neben dem Studium einen Job in einem Fitnessstudio. Viel Zeit hat sie nicht. Das merkt auch Micha. Nach dem ersten Treffen im Café sehen sich die beiden häufiger. Anna lernt Michas Freunde kennen. Er übernachtet bei ihr. Nach zwei Monaten löscht Anna seine Nummer aus ihrem Handy. Micha habe sie eingeengt, sagt sie.

Das Ende ihrer kurzen Verbindung hat natürlich nichts mit der Partnersuche im Internet zu tun. "Ob man mit einer kontaktierten Person eine Beziehung eingeht, ob man also letztlich einen Partner findet, ist von der Art des Kennenlernens weitgehend unabhängig", sagt der Experte. Heute muss man nicht unbedingt mehr einen Partner haben, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. "Potentielle Partner müssen mehr Kriterien erfüllen." Ansonsten verzichtet man eben eine Weile auf eine Beziehung, bis man einen passenden Partner gefunden hat. Anna hat jetzt einen neuen Freund. Das erste Mal gesehen haben sie sich in dem Fitnessstudio, in dem sie arbeitet. Das zweite Mal beim Rauchen vor dem Hörsaal. Das "klassische" Flirten am Campus stirbt also nicht aus.

(RP)
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