Kleve Mit der Datenbrille durch den Verkehr

Kleve · In den Studiengängen "Frühkindliche Bildung" und "International Business" der Hochschule Rhein-Waal arbeiten Studenten mit Eye-Trackern, die die Blickbewegung messen. So untersuchen sie Straßen und Städte am Niederrhein.

Angela Heine hat mit ihren Studierenden gewettet: Die Professorin für Psychologie mit dem Schwerpunkt Pädagogische Psychologie und Verhaltensforschung an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve will am Ende des Semesters Daten dazu vorlegen, ob oftmals teuer angebotene Hirntrainings tatsächlich die Effekte erzielen, die vollmundig versprochen werden. "Wir wollen dieses Semester mit objektiven Methoden untersuchen, ob bestimmte Trainings die Aufmerksamkeit tatsächlich steigern können", sagt sie.

Das lässt sich nämlich messen, legt die Hochschullehrerin dar: Auge und Aufmerksamkeit sind gekoppelt. Also ist die Aufmerksamkeit indirekt messbar: Dort, wo das Auge eine gewisse Zeit verweilt, ist auch die Konzentration. So lässt sich beispielsweise messen, wie lange Probanden sich auf Inhalte konzentrieren können, bevor der Blick wieder wandert und die Konzentration nachlässt.

Der Stolz der Hochschule ist dabei ein stationärer Eye-Tracker, der in einer großen "Kiste", einem Holzhaus im Raum, in einem Labor steht. Drinnen herrscht gedämpfte, konzentrierte Ruhe, man schaut durch eine Apparatur wie beim Augenarzt. Pro Sekunde sammelt das stationäre Gerät 2000 Datenpunkte. "Das sind Messungen, die uns darüber Aufschluss geben, wie wir wo wie lange hinschauen. Es sind überlappende Hirnareale, die Auge und Aufmerksamkeit steuern", sagt Heine. Sie ist zuversichtlich, dass sie die Wette - die klassische Wett-Währung ist der berühmte Kasten Bier - gegen ihre Bachelor-Studenten aus dem vierten Semester "Frühkindliche Bildung" nicht verlieren wird.

Die "Blickbewegungsmessung" liefere sehr wertvolle Daten, sagt die Professorin. Wo schaut der Mensch in welcher Situation hin, wo bleibt der Blick hängen und welche kognitiven Reize müssen gesetzt werden, damit der Mensch in bestimmte Richtungen schaut. Das sind wichtige Daten, die nicht nur in der stillen Konzentration in der Abgeschiedenheit des Labors gewonnen werden können. Solche Daten können auch im richtigen Leben draußen vor der Tür gewonnen werden.

Das nutzt Thomas Pitz, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Er setzt auf eine mobile Eye-Tracker-Brille, mit denen seine Studenten durch die Innenstadt Kleves ziehen und durch Städte im nahen Ruhrgebiet. Er sucht moderne Verkehrskonzepte, bei denen verschiedene Verkehrsmittel intelligent kombiniert werden können: beispielsweise mit dem Auto zur Bahn, von dort mit der Straßenbahn zur Arbeit oder mit dem Flieger in Urlaub oder auf Dienstreise.

"Um zu wissen, wie wir welche Fortbewegungsmittel nutzen, wie wir sie finden, müssen wir die aktuelle Verkehrssituation kennen - in unserem Fall am Niederrhein und im Ruhrgebiet", sagt Pitz. Wie findet der Proband im Auto den Bahnhof, wo sind die Schilder, wie sind die Internetauftritte verschiedener Carsharing-Angebote aufgebaut? Wie werden Beschilderungen an Unfallschwerpunkten wahrgenommen? Oder, ganz einfach: Geben Eye-Tracker- Studien Hinweise, wie sich die Verkehrsführung verbessern und so die Unfallwahrscheinlichkeit senken lässt?

"Hier können uns die mobilen Eye-Trackler wertvolle Daten liefern. Wir wollen herausfinden, ob man als Fußgänger oder Autofahrer die Beschilderung überhaupt wahrnimmt", sagt Pitz. Die Daten sammeln seine Studierenden des Bachelor-Studiengangs "International Business" auf ihren Wegen mit Rechner und Datenbrille durch die Straßen und Bahnhöfe der Städte am Niederrhein und im Ruhrgebiet.

Im nächsten Schritt werden diese Erkenntnisse ausgewertet, dann verwendet, um den Bürgern eine "intelligente" Verkehrsmittelwahl zu ermöglichen, sagt Pitz. "Realisiert werden könnte dies beispielsweise durch die Entwicklung von Apps, mit deren Hilfe man Wegstrecken zuverlässig planen und komfortabel bewältigen kann, und gleichzeitig Belastungen durch Staus, Parkplatzmangel oder Schadstoffausstoß minimiert", erklärt Pitz. Das soll als "Handlungsempfehlung" am Ende des vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung geförderten zweijährigen Projekts stehen, an dem Pitz und die "International Business"-Studenten derzeit interdisziplinär angewandt forschen.

(RP)
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