Kolumne Dozentenleben Neue Sitten in Padua?

Vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle über die recht brutalen Sitten berichtet, mit denen seit jeher an der italienischen Universität in Padua die Doktoranden "gefeiert" werden: Begleitet von ihren Kommilitonen, die lautstark ein Lied mit dem Refrain "dottore, dottore" sangen, zogen die frischgebackenen Doktores durch die Gassen. In lächerlicher Verkleidung, junge Männer in Frauenkleidern, Mädchen mit Schwimmflossen und Taucherbrille, mussten sich die Jungakademiker vor ihrer altehrwürdigen Universität mitten in der Stadt präsentieren.

Hier klebten an den historischen Mauern Plakate mit Karikaturen der Kandidaten und Spottgedichte, die laut vorgelesen wurden. Der grölende Freundeskreis ließ die Korken knallen und es gab eine Sektdusche, wie man sie von Siegerehrungen in der Formel 1 kennt. Doch nicht genug damit: Die zu Feiernden wurden anschließend mit Mehl und Ketchup beworfen, bekamen einen Lorbeerkranz aufgesetzt und wurden zum Abschluss in den nächsten Brunnen getunkt.

Und in diesem Jahr? Nichts davon. Überall festlich gekleidete Gruppen, die man für Hochzeitsgesellschaften halten könnte, würde nicht immer wieder das "Dottore"-Lied angestimmt: Absolventinnen in Abendkleidern mit Lorbeerkränzen im Haar, stolze Eltern, die, ein gefülltes Sektglas in der Hand, fürs Foto posieren. Undenkbar, dass einer von ihnen den Sekt über den Kopf geschüttet bekäme. Im Bannkreis der Uni und in der Innenstadt seien die rüden Feiern verboten worden, erklärt mir Elisabetta, aber, fügt sie mit diabolischem Grinsen hinzu, il Terribile, das Furchtbare, das käme noch, am nächsten Samstag, dafür hätte man sich schon entferntere Brunnen ausgesucht.

Ist doch schön, wenn die Jugend das Brauchtum pflegt.

(RP)
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