Jena Ostdeutsche Unis punkten auch im Westen

Jena · Bewerber zeigen sich vor allem von der Qualität der Studiengänge beeindruckt.

Mit dem Abizeugnis in der Hand wollte Juliane Noßack an der Uni starten. Germanistik war ihr Wunschfach. Die Brandenburgerin bewarb sich damals, im Jahr 2010, deutschlandweit. "Mir war es egal, ob ich zum Studieren im Osten bleibe oder in den Westen gehe", erzählt sie. Dass sie schließlich im thüringischen Jena gelandet ist, lag vor allem an den Studiengebühren. Die westdeutschen Unis, die für Noßack infrage kamen, forderten von den Studenten noch bis zu 500 Euro pro Semester. "Das war der Hauptgrund für mich, im Osten zu bleiben."

Heute werden in keinem Bundesland mehr Studiengebühren erhoben. Diesen Wettbewerbsvorteil für die ostdeutschen Unis gebe es also nicht mehr, erklärt Axel Burchardt, Pressesprecher der Universität Jena. Die Studiengebühren seien allerdings nur für einen kleinen Teil der Studenten ausschlaggebend gewesen, nach Jena zu kommen. Laut Bundeswirtschaftsministerium hat sich der Anteil der westdeutschen Studienanfänger in den vergangenen Jahren im Osten erhöht: Lag er im Wintersemester 2005/06 noch bei 16 Prozent, ist er im Wintersemester 2012/13 auf 36 Prozent gestiegen.

Steigende Studierendenzahlen durch die doppelten Abiturjahrgänge als Folge der Umstellung auf G 8 erklären diesen Erfolg Burchardt zufolge nicht. "In den Bundesländern mit doppelten Jahrgängen haben die Universitäten stark aufgerüstet und zusätzliche Studienplätze geschaffen." Doch welche Vorteile bietet ein Studium im Osten eigentlich? Burchardt findet, dass die Unis vor allem mit Qualität punkten könnten.

Hartmut Möllring, Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, betont: "Die Unis in den neuen Bundesländern sind sowohl fachlich als auch ausstattungstechnisch hervorragend aufgestellt." Das überzeuge die Studienanfänger. Professor Thomas Hofsäss ist Prorektor für Bildung und Internationales an der Universität Leipzig. Er hebt besonders die Strukturreform hervor, der sich die Unis vor 25 Jahren unterzogen haben. "Ziel war es, studierbare Studiengänge zu schaffen. Das ist geglückt."

In Jena setzt man vor allem auf Mundpropaganda, um Erstsemester aus Ost und West anzulocken. "Die Studenten sollen ruhig erzählen, wenn es ihnen hier gefällt. Und das tun sie", berichtet Pressesprecher Burchardt. Hinzu kämen gute Ranking-Ergebnisse für viele Studienfächer, recht große Unternehmen in der Umgebung und gute Perspektiven für eine wissenschaftliche Karriere.

Mit Kampagnen wie "Studieren in Fernost" rühren die neuen Bundesländer und das Bildungsministerium die Werbetrommel für die Ost-Unis. "Campus-Spezialisten" beraten Interessenten und unterstützen die Erstsemester beim Studieneinstieg. Eine von ihnen ist Maike Schneider. Die 25-jährige Masterstudentin kam aus Niedersachsen an die Universität Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Für sie war es kein Problem, vom Westen in den Osten zu gehen. "Das ist wie beim Horoskop. Wenn man will, bestätigen sich natürlich die klassischen Vorurteile." Für die Studentin spielt das Ost-West-Denken kaum noch eine Rolle.

Juliane Noßack aus Jena findet ebenfalls, dass die altgedienten Stereotype höchstens noch im Elternhaus weiterleben. Im Freundeskreis spiele das keine Rolle. Minister Möllring erklärt: "Die heutigen Studenten haben die Wiedervereinigung allenfalls in den Windeln erlebt. Sie sind in einem vereinten Deutschland aufgewachsen."

In einem Punkt überzeugt der Osten besonders: Studenten in Ostdeutschland profitieren von geringeren Mieten und niedrigeren Lebenshaltungskosten. In Magdeburg gibt es Wohnungen für rund fünf Euro pro Quadratmeter.

(DPA-TMN)
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