Pretoria Pretoria fordert Pioniergeist

Pretoria · Ein Studium in Südafrika ist anstrengender als ein Erasmus-Austausch - aber auch karrierefördernd.

Nur wenige Studenten denken bei der Planung eines Auslandsaufenthalts an Südafrika. Doch wer den Schritt wagt, findet im fortschrittlichsten Land südlich der Sahara international anerkannte Universitäten, eine beeindruckende kulturelle Vielfalt, eine herzliche Willkommenskultur - und besseres Wetter als in Deutschland.

"Das Beste ist die kulturelle und ethnische Vielfalt der Menschen, mit denen man täglich zu tun hat", sagt Nadine Segadlo, die in Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften studiert. Anders als in Europa lernt man in Südafrika ein ganz neues System kennen und wird bei vielen Themen mit einer anderen Herangehensweise konfrontiert, erklärt die 23-Jährige: "Es ist für mich eine große Bereicherung."

Segadlo ist neben ihren Vorlesungen auch in einem Chor der Universität Pretoria, der in den elf Landessprachen Südafrikas singt, darunter Zulu, Xhosa und Venda. "Ich bin dort die einzige weiße Studentin", erzählt Segadlo. Damit sie die Lieder in den exotischen Sprachen lernen kann, schreiben Mitsänger des "Ovuwa"-Chors die Texte eigens für sie auf. "Bei einem Konzert trug ich ein knappes Kostüm der Venda-Volksgruppe. Da hatte ich schon das Gefühl, dass mich viele Weiße im Publikum komisch angeschaut haben."

Das Zusammenleben der schwarzen Mehrheit und der weißen Minderheit ist auch zwei Jahrzehnte nach der Überwindung des rassistischen Apartheid-Systems kompliziert. Nur rund zehn Prozent der 54 Millionen Einwohner Südafrikas sind weiß. Gaststudenten aus Europa treten die Einwohner jedoch in der Regel vorurteilslos und freundlich gegenüber. "Als internationaler Student findet man schnell in allen Gruppen Anschluss", sagt Segadlo, die in Pretoria ein Semester Politikwissenschaften studiert.

Für ein Studium in Südafrika braucht es aber auch eine Portion Pioniergeist. Die Vorbereitung des Aufenthalts ist in der Regel komplizierter als bei einem Erasmus-Austausch, da es noch nicht so viele Kooperationen zwischen Universitäten gibt. Wegen der hohen Kriminalitätsrate ist auch die Sicherheitslage nicht unproblematisch. Außerdem gibt es im gesamten Land immer wieder stundenlange Stromausfälle. "Wir saßen in unserem Wohnheim seit Januar schon ungefähr 13 Mal im Dunkeln", erzählt Marita Wagner (22) lachend. Sie ist für ein Jahr am theologischen Institut der Uni Pretoria und studiert an der jesuitischen Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt Theologie.

Der Deutsche Akademische Austausch-Dienst (DAAD) fördert momentan 600 Deutsche in Südafrika, darunter Studenten, Kurzzeitdozenten und Teilnehmer wissenschaftlicher Konferenzen. Karriereberaterin Julia Funke aus Frankfurt sieht das Ziel eines Abschlusses in Südafrika außerhalb bestimmter Nischen skeptisch. Es gebe in deutschen Personalabteilungen sicher noch viele Vorurteile oder zumindest Fragezeichen hinsichtlich des akademischen Niveaus. Einen Austausch dagegen sieht sie positiv: "Durch die vielen unterschiedlichen Menschen und Kulturen ist das sicher sehr bereichernd." Da es weniger vorgefertigte Programme gebe, erfordere es mehr Selbstständigkeit und Mut, betont Funke. "Das schätzen die Arbeitgeber auch."

(DPA-TMN)
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