Juristen fordern sofortige Rücknahme Rechtschreibung: Reformgegner machen mobil

Berlin (rpo). Die Gegner der Rechtschreibreform nutzen die aktuellen Beratungen der Kultusministerkonferenz (KMK) für neue Proteste: Sprachwissenschaftler beklagen die unvermindert hohe Zahl von Fehlern, Juristen fordern gar die sofortige Rücknahme der Reform.

Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenmann, Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, sagte am Donnerstag, die Reform habe "auf gar keinen Fall" eine Reduzierung der Fehler bewirkt. Ein Zusammenschluss von rund 50 deutschen Juristen forderte von der KMK die Rücknahme der Rechtschreibreform.

Eisenmann betonte, nach seiner Beobachtung argumentierten auch die Befürworter der Reform nicht mehr mit der Fehlerreduktion, sondern stellten jetzt die größeren Freiheiten in den Vordergrund. Er hielt dem entgegen, statt zu größerer Freiheit komme es zu Verunsicherung.

Auch der rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende Christoph Böhr sprach sich deutlich gegen die Reform aus. Er persönlich halte von der Reform nichts, da sie "jeder Logik entbehrt", sagte Böhr. Es sei gut, dass die Diskussion darüber weitergeführt werde, da die bisherigen Neuerungen bei der Rechtschreibung "nicht das Gelbe vom Ei" seien, fügte der CDU-Politiker hinzu.

Unterdessen haben sich auch Bürgergruppen gegen die neuen Regeln zusammengeschlossen. Rund 80 Deutschlehrer um den Warburger Pädagogen Hans-Jürgen Grosser haben sich mit einer Unterschriftaktion gegen die Reform gewandt. Die Lehrer betonen, an den meisten Schulen habe sich die Zahl der Rechtschreibfehler seit Einführung der Reform erhöht. Auch seien die Regeln in mehreren Bereichen komplizierter geworden. Daran ändere eine Umformulierung einiger Bestimmungen nichts. Die Gruppe fordert deshalb eine Evaluierung der Reform durch unabhängige Experten.

Mit Übergangsfrist abschaffen

Die Juristen-Initiative verlangt von der KMK die sofortige Abschaffung der Rechtschreibreform. Wenn die Kultusminister der Länder "einigermaßen verantwortungsvoll agieren würden", müssten sie die neue Rechtschreibung mit einer Übergangsfrist von rund vier Jahren umgehend wieder abschaffen, sagte der Münchner Rechtsanwalt Johannes Wasmuth, Sprecher und Organisator der Initiative.

Wasmuth wies zugleich darauf hin, dass die Wiener Absichtserklärung vom 1. Juli 1996 die Rücknahme des gesamten Regelwerks zulasse, wenn sich nach hinreichender Beobachtung gravierende Defizite herausstellten.

Die KMK unter dem Vorsitz der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) wollte auf ihrer Plenarsitzung am Donnerstag und Freitag in Mainz einen Beschluss zum 4. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung fassen. Der KMK ist es nach eigenen Angaben dabei "besonders wichtig, dass für die Zukunft ein von möglichst allen Beteiligten - auch unter Einbeziehung der Akademie für Sprache und Dichtung - akzeptiertes Verfahren zur Beobachtung der Entwicklung des Schriftgebrauchs etabliert wird".

Vom 1. August 2005 an gilt in den Schulen neue Rechtschreibung

Vom 1. August 2005 an gilt in den Schulen grundsätzlich die neue Rechtschreibung. Mit dem Ende der bis dahin laufenden Übergangsfrist treten nur noch geringfügige Änderungen in Kraft. Dies ist von der Kultusministerkonferenz (KMK) bei ihrer am Freitag beendeten Tagung in Mainz einstimmig beschlossen worden, wie die rheinland-pfälzische Bildungsministerin und KMK-Vorsitzende Doris Ahnen (SPD) bekannt gab. Damit müssen alle Schüler vom Beginn des Schuljahrs 2005/2006 an nach den neuen Regeln schreiben.

Auf Vorschlag der aus Vertretern Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins bestehenden Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung nahm die KMK zusätzliche Regelungen in das Reformwerk auf, die zum 1. August 2005 wirksam werden. Sie eröffnen vor allem in Bezug auf das Getrennt- und Zusammenschreiben neue Wahlmöglichkeiten. Ahnen betonte, damit werde keine der bisher gelehrten Schreibweisen falsch; es gebe lediglich zusätzliche Varianten. Alle in der neuen Rechtschreibung gehaltenen Schulbücher könnten weiter benutzt werden.

Laut Ahnen sprachen sich die Minister für die Einrichtung eines "Rates für die deutsche Rechtschreibung" aus, der an die Stelle der Zwischenstaatlichen Kommission treten und die weitere Entwicklung bewerten soll. In dem Rat sollen wiederum alle beteiligten Staaten vertreten sein. Seine endgültige Zusammensetzung soll im Dezember 2004 festgelegt werden.

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