Kleve Rhein-Waal wirbt um iranische Studenten

Kleve · Der Deutsche Akademische Austauschdienst lud Wissenschaftler der führenden technischen Universitäten in Deutschland zu Gesprächen in den Iran ein. Als einzige Fachhochschule war Rhein-Waal vertreten.

Die Elektronik- und Maschinenbaustudenten dürfen im dritten Semester einen Traktor bauen. Fünf Kilogramm schwer, kleine Maschine, handliches Format. Aber stark. Weil der Trecker Gewichte ziehen muss. Oder andere Traktoren wegdrücken soll. "Tractorpulling" im Kleinformat eben. Der Iraner Mehran Mehri studiert Elektronik und ist mit den Kommilitonen seines Studiengangs für die Steuerung zuständig. Die Studenten vom Fachbereich Maschinenbau übernehmen die Mechanik. Die Steuerung muss verhindern, dass die Räder durchdrehen oder der Trecker Männchen macht, sich aufrichtet.

Mathematik und IT hat der Iraner gestemmt, die Grundkenntnisse der Naturwissenschaften verinnerlicht, und die Fundamente für Elektronik und Mechanik wurden in den ersten beiden Semestern gelegt: Mehran Mehri hat das erste Studienjahr in Deutschland hinter sich. Elektrotechnik an einer deutschen Fachhochschule zu studieren, sei die richtige Wahl gewesen, sagt er. Jetzt freue er sich nach der Theorie auf die Praxis. "Eine solche Verzahnung von Theorie und Praxis kennen wir an unseren Universitäten nicht", sagt Mehri.

Es ist die Praxisnähe, die die Hochschulen für angewandte Wissenschaften, wie die Fachhochschulen heute heißen, interessant für ausländische Studenten macht. Die Präsidentin der HSRW, Marie-Louise Klotz, war jetzt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in den Iran eingeladen, um dieses praxisnahe Studium vorzustellen. Nach der vorsichtigen Öffnung des Irans unter Staatspräsident Hassan Rohani sollen der akademische Austausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran verbessert und Kontakte mit den iranischen Universitäten geknüpft werden, erklärt der DAAD.

Dazu lud die DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel vornehmlich Wissenschaftler der TU 9 ein; das sind die führenden technischen Universitäten in Deutschland. Von den TU 9 waren die TU Gießen, die TU Darmstadt, die RWTH Aachen und die Universität Rostock dabei. Als einzige Hochschule für angewandte Wissenschaften (Fachhochschule) wurde die Hochschule Rhein-Waal (HSRW) eingeladen. Das Interesse am Prinzip der Fachhochschulen sei im Iran groß. "Die unmittelbare Anwendung des erworbenen theoretischen Wissens in der Praxis - in technischen, aber auch in Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Studiengängen, die Verbindung von Wissenschaft und Industrie stehen im Mittelpunkt der Gespräche", sagt Professor Gregor van der Beek von der HSRW, der neben Klotz zur Delegation im Iran gehörte. Das unterstreicht auch Raed Farizadeh von der Beheshti-Universität in Teheran jetzt beim Gegenbesuch in Kleve. Zudem gelte es, die noch vorhandenen Kontakte zwischen den Universitäten im Iran und den Hochschulen in der Bundesrepublik wieder zu vertiefen, sagt Farizadeh.

Der Ruf deutscher Technischer Hochschulen und Fachhochschulen ist im Iran gut. "Deswegen wollte ich unbedingt in Deutschland studieren", sagt Mehran Mehri. Er entschied sich für die Hochschule Rhein-Waal in Kleve und gehört damit zu den rund 5000 iranischen Bildungsausländern, die der DAAD an deutschen Hochschulen zählt. Ausschlaggebend für seine Wahl seien die Internationalität und die enge Verzahnung mit der Praxis gewesen, sagt er. Hier heißt sein Studiengang Electronics, und Mehri arbeitet in internationalen Teams.

"Wir haben rund 70 Prozent ausländische Studierende in unserem Studiengang", sagt Professor Gerrit Gehnen. Er ist Fachstudienberater für den Bachelorstudiengang Electronics an der HSRW. Im dritten Semester werden seine Studenten fachübergreifend arbeiten. Den Mikrotraktor, so Gehnen, werden sie zusammen mit den Maschinenbauern in Angriff nehmen.

"Das ist dann im Kleinen wie bei einem richtigen Fahrzeug", erklärt Gehnen. Wie bei einem modernen Serienfahrzeug soll die Steuerung das Fahrverhalten verbessern, stabilisieren. "Das sind Aufgaben zur Antriebstechnik mit einer Sensorik, die man heute in allen Autos findet", erläutert er. Die Studenten sind bei diesem Projekt und dem später folgenden Praxissemester ganz nah am wirklichen Leben, an der angewandten Wissenschaft - eben das Prinzip der Fachhochschulen, das Klotz jetzt im Iran vorstellen durfte.

(RP)
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