Studenten-Leben Rhetorik - eine lästige Pflicht

Rhetorikseminar an der Uni. Ich hab es mir nicht ausgesucht, das ist in fast allen Studiengängen mittlerweile Pflicht. Könnte zur Abwechslung ja auch mal ganz schön sein, mit Menschen aus anderen Fächern in Kontakt zu kommen. Die meisten sind pünktlich da, wir bilden erst mal einen Stuhlkreis. Die Dozentin hat sogar extra ein Plüschtier mitgebracht. Das wirft sie, und wer fängt, darf reden. Klar, dass die plattgekuschelte Katze erst mal in meinem Schoß landet. Hallo, ich bin Eva. Die Dozentin unterbricht. Ob jemandem etwas an meiner Körpersprache auffällt, will sie wissen. Meine Sitznachbarin meldet sich eifrig. Meine verschränkten Arme drücken Desinteresse aus. Psychologiestudentin. Ich sitze in der Uni mit einem Plüschtier auf dem Schoß - ja, ich bin desinteressiert. Hinter uns knallt die Tür. Sorry, hab verschlafen, murmelt der Forstwissenschaftler in Birkenstocksandalen. Ich frage, ob ich fünf Minuten früher gehen darf, ich muss einen Zug erreichen. Der Informatiker neben mir versucht sich an einem Witz. Das wären dann schon 25 der 20 Prozent von der Anwesenheitszeit, die ich abwesend sein dürfte. Unglaublich, dass alle um mich herum sämtlichen Klischees gerecht werden. Ich setze dem Informatiker auseinander, warum die fünf Minuten auf keinen Fall als Abwesenheitszeit zu werten sind, und argumentiere ihn an die Wand.

Mir gegenüber lächelt ein Typ hocherfreut. Bisher hat er die anderen maximal mit hochgezogenen Augenbrauen bedacht. Jurist. Und sein Lächeln zeigt: Ich habe mich soeben selbst als Kommilitonin geoutet.

(RP)
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