Bildung "Schüler sehen in mir sich selbst"

Köln · Seine Schüler sagen über ihn, dass er coolere Schuhe trägt als die meisten Lehrer. Und auch Tuncer Ilbeyogly sagt über sich selbst, dass er eher lehreruntypisch sei. Aber genau damit kommt der 42-Jährige bei Kollegen und Schülern gut an.

 Tuncer Ilbeyogly ist an einer Berufsschule in Grevenbroich tätig.

Tuncer Ilbeyogly ist an einer Berufsschule in Grevenbroich tätig.

Foto: Berns

Tuncer Ilbeyogly unterrichtet an einer Berufsschule in Grevenbroich: Sport, Recht und Verwaltung. Dort würden fast paradiesische Bedingungen herrschen, sagt er, sein Referendariat hat er im Duisburger Problemstadtteil Marxloh gemacht. Dort liegt der Ausländeranteil in den Klassen bei nahezu 100 Prozent. Die Hoffnungen der Schüler auf eine bessere Zukunft gehen gegen Null. Tuncer Ilbeyogly kennt das. Und er weiß, wie es ist, in etwas "hinein gezogen zu werden". "Ich war auch kein Kind von Traurigkeit und habe Fehler gemacht", sagt der 42-Jährige. "Aber ich habe aus meinen Erfahrungen gelernt."

Als Kind türkischer Einwanderer ist Tuncer Ilbeyogly geboren und aufgewachsen in Duisburg, in einem Viertel, in dem vorwiegend Türken wohnen. Er isst gerne Lahmacun, genau wie viele seiner türkischen Schüler, und seine Mutter hat zu Hause dasselbe gekocht wie die Mütter der Schüler. Das verbindet.

Tuncer Ilbeyogly ist Kurde und Alevit. Denn das bedeutet auch, Teil der politischen, ethnischen und religiösen Konflikte der Türkei zu sein. In Grevenbroich ist er vor allem deutscher Lehrer. Und doch weiß er, wie es ist, nicht in die Disco zu kommen, weil er Türke ist: frustrierend, unbefriedigend, ungerecht. "Die Schüler sehen in mir auch ein Stück weit sich selbst", sagt er. "Ich bin sicher, dass ich schon sehr viele motiviert habe, selbst Lehrer zu werden." Denn man müsse sich in die Schüler hineinversetzen, das sei wichtig, und ihm falle das bei den Türkischstämmigen leicht. Während jedoch für ihn stets klar gewesen sei, dass er Teil dieses Landes werden wolle, beobachte er bei der nächsten Generation diese Zielstrebigkeit nicht mehr, und das mache ihn traurig. Viele Migrantenkinder würden sich abschotten, hätten resigniert; zu groß sei die Angst vor der Zukunft in einem Land, in dem sie zwar heimisch sind, aber doch immer Grenzgänger bleiben würden. Was die jungen Leute aus Migrantenfamilien deshalb dringend bräuchten, sei ein Wegweiser, ein Mentor, und beides versucht Ilbeyogly für sie zu sein. Aber genauso will er ihnen etwas beibringen. "Lehren sei heilig", sage man im Türkischen.

In Deutschland gebe es inzwischen viele Möglichkeiten, den Aufstieg zu schaffen, sagt Ilbeyogly, auch und besonders für Migrantenkinder. Nur wüssten das die meisten eben nicht. "Ich versuche wirklich, alle zu motivieren", sagt er. Er selbst habe sich immer das Beste aus den Kulturen rausgefischt: den Familiensinn der Türken und die Strukturverliebtheit der Deutschen.

(mr)
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