Mainz Sie tragen Farben, aber sie fechten nicht

Mainz · Seit dem Jahr 2000 schließen sich immer mehr Studentinnen zu Damenverbindungen zusammen.

Sie trinken häufig Sekt oder Wein statt Bier. Und sie schließen einen Bund fürs Leben, besitzen jedoch selten Häuser oder das große Geld. Die meisten Damenverbindungen seien die "armen Schwestern" der männlichen Vereine, sagt die Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth. Dennoch rufen Studentinnen seit dem Jahr 2000 in vielen deutschen Uni-Städten neue Verbindungen ins Leben. Wie Johanna Bogenreuther. Die 20-Jährige ist Gründungsmitglied des AV Normannia zu Mainz.

Bogenreuther sitzt neben Aimee Moll auf einem dunkelgrünen Ledersofa in einem Studentenwohnheim. Im Sommer 2013 entschieden die beiden jungen Frauen, nicht mehr nur "Anhängsel" der Männer sein zu wollen. Sie belebten den Akademischen Verein Normannia zu Mainz wieder. Sechs aktive Mitglieder hätten sie zurzeit, sagt Bogenreuther. Am Revers trägt die blonde Theologiestudentin den goldenen Zipfel, das Zeichen der Freundschaft und des Lebensbunds der korporierten Frauen.

Zwischen 20 und 30 aktive Damenverbindungen gibt es in Deutschland, schätzt Kurth. Die Göttinger Diplom-Sozialwirtin Anne Mielke spricht von 40 bis 50. Exakte Zahlen fehlen: Die Forschung hat sich laut Mielke bisher kaum mit Damenverbindungen befasst.

Was zieht Studentinnen heute in Verbindungen? Häufig sei der Wunsch nach einer festen Gemeinschaft entscheidend, sagt Mielke. Die Forscherin promoviert zum Thema "Frauen in Couleur. Akademische Damenverbindungen und die Ideale weiblicher Netzwerkbildungen in einer Männerdomäne". Sie führt Interviews mit aktiven und inaktiven Mitgliedern, den Hohen Damen. Nach ihren vorläufigen Ergebnissen versteht Mielke die Vereine als "Teil einer konservativen bürgerlichen Frauenbewegung". Ziel sei es, Frauen die bestmöglichen Chancen zu verschaffen - in der Tradition der ersten Damenverbindungen, die vor rund 100 Jahren für die Zulassung zum Studium kämpften. In der NS-Zeit existierten diese Verbindungen laut Kurth nicht weiter, erst seit den 1980er-Jahren wieder. Nach 2000 gab es eine Art Gründungsboom. Beim AStA der Universität Mainz wird diese Entwicklung kritisch gesehen. Die Frauenvereine seien kein Zeichen von mehr Gleichberechtigung, sie imitierten schlicht männliche Strukturen.

Übernommen wurden von den Männern zum Beispiel die Hierarchie, das Lebensbundprinzip oder Mützen, Bänder und Farben. Frauen gehen mit diesen Traditionen nach Kurths Ansicht aber lockerer um, entwickeln sie teilweise weiter. So tragen die Mitglieder des AV Normannia bei Festen - den Kneipen - zwar klassische dunkle Röcke und Blusen mit Kordeln in den Verbindungsfarben Schwarz-Gold-Rot, jedoch ist alles selbst genäht.

Noch deutlicher unterscheiden sich männliche und weibliche Verbindungen beim Thema Fechten. "Keine Damenverbindung schlägt die Mensur", sagt Mielke. Auch seien die Hohen Damenschaften meist klein, deshalb fehle es an Geld. Statt in eigenen Häusern zu wohnen, mieten sich manche Frauen bei männlichen Verbindungen ein. Kritiker sorgten sich um die Traditionen oder warnten vor Konflikten in gemischten Verbindungen, sagt ein Mitglied der K.D.St.V. Churtrier in Trier. Man respektiere einander aber. Mehr Skepsis als bei den Männern gibt es laut Bogenreuther von außen. Alle Studentenverbindungen seien rechts - das Vorurteil halte sich hartnäckig. Die meisten Frauenvereine in Deutschland aber verstehen sich als unpolitisch.

(DPA)
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