Münster Studenten praktizieren auf dem Campus

Münster · Die Uni Münster bietet ihren Medizinstudenten eine NRW-weit einmalige Einrichtung: die Campus-Praxis.

Eine Praxis, in der Medizinstudenten die Arbeit von Hausärzten kennenlernen - das gibt es an allen Hochschulstandorten, an denen man Medizin studieren kann. Aber eben meist nur für wenige Wochen, etwa bei der einmonatigen Pflichtfamulatur in einer Lehrpraxis. In Münster gibt es nun die Campus-Praxis: Dort können Studenten Patienten über Monate hinweg begleiten, sie untersuchen und versorgen. Ziel ist es, in und mit der Campus-Praxis die allgemeinmedizinische Lehre in Münster zu intensivieren.

Zwei Fachärztinnen für das Medizinische, dazu vier weitere Praxiskolleginnen: Auf den ersten Blick wirkt die sechste Etage eines Büroturms wie eine ganz normale Hausarztpraxis. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Art Außenstelle der münsterschen Universitätsmedizin. Denn hier werden Medizinstudenten bereits ab ihrem ersten Semester ausgebildet.

"Studenten, die besonders an der Allgemeinmedizin interessiert sind, können hier die Langzeitbetreuung von Patienten erleben", sagt Peter Maisel, Leiter des Centrums für Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät Münster und selbst Facharzt für Allgemeinmedizin. "Dabei wird die Verantwortung, die dem Studenten übertragen wird, an seinen bisherigen Kenntnisstand angepasst."

Die Patienten der Campus-Praxis kommen wie in jeder anderen Hausarztpraxis aus der Umgebung. Es wird bewusst keine Vorauswahl getroffen, sodass die Patienten die ganze Breite allgemeinmedizinischer Versorgung kennenlernen. "Die Studenten nehmen in der Praxis an der normalen Sprechstunde teil und bekommen dabei auch die Gelegenheit, die Patienten zunächst alleine zu befragen und zu untersuchen, und sie dann den Fachärztinnen vorzustellen", sagt Peter Maisel. "Die Studenten lernen hier in Anamnese und Befund die Krankheitsbilder und Beratungsanlässe näher kennen, die in einer stationären Versorgung in der Klinik überhaupt nicht vorkommen." Das seien beispielsweise Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen, Heim- und Hausbesuche oder ein Erstkontakt mit einem Patienten mit unspezifischen Symptomen.

Laut der Universitätsmedizin Münster ist die Campus-Praxis in NRW einmalig. "Während in einem normalen Praktikum ein Student einen Patienten nur eine bestimmte, meist kurze Zeit lang begleiten kann, ist das hier mittels Wahlpflicht-Kursen über Monate oder noch länger möglich. Das ist gerade bei chronischen Erkrankungen eine wertvolle Option", sagt Peter Maisel. Spezielle Lehrprojekte sollen gezielt die Studenten ansprechen und motivieren, die eine Zukunft in der Allgemeinmedizin in Erwägung ziehen. "Natürlich hoffen wir, damit auch einen Beitrag zum Abbau des Mangels an Allgemeinmedizinern zu leisten", sagt Maisel.

Selbst die Technik der Campus-Praxis ist auf das dahinterstehende Konzept abgestimmt: Die Räume werden so ausgestattet, dass Übertragungen in die etwa zwei Kilometer entfernten Hörsäle möglich sind. "So kann eben nicht nur in, sondern mit der Praxis gelehrt werden", sagt Maisel. Außerdem sollen Patienten - natürlich mit ihrem Einverständnis - auch um die Teilnahme an Vorlesungen und Seminaren gebeten werden, um die Lehre noch praxisnaher und damit auch interessanter zu gestalten.

In Zukunft sollen auch Staatsexamensprüfungen in der Campus-Praxis durchgeführt werden. Diese sind bisher in einer normalen Lehrpraxis für Allgemeinmedizin wegen des großen Aufwandes nur schwer umzusetzen. "Außerdem wollen wir erreichen, dass auch in der Allgemeinmedizin die Patientenversorgung auf dem Campus direkt erlebbar wird - und damit als Teil der universitären Medizin wahrgenommen wird, wie es in den anderen Fächern, die vielleicht eher im Krankenhaus stattfinden, auch der Fall ist", so Maisel.

Ein früher und stetiger Kontakt mit der Allgemeinmedizin präge die Haltung gegenüber dem Fach. Denn: Zwar ist die Allgemeinmedizin nach der Inneren Medizin das Fach, in dem sich die meisten Studenten (35 Prozent) eine Weiterbildung vorstellen können - so das Ergebnis einer Untersuchung der Kassenärztlichen Vereinigung mit der Universität Trier. Allerdings wählen aktuell nur rund zehn Prozent der Studenten dieses Fach dann auch als Weiterbildungsziel.

"Das hat unseres Erachtens auch viel mit den Rahmenbedingungen der späteren Arbeit zu tun, die negativ wahrgenommen werden", sagt Allgemeinmediziner Maisel. "Daher ist die Attraktivitätssteigerung der Allgemeinmedizin eine gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten - von den Hochschulen über die Ärztekammern, Krankenkassen bis zu den Ärzten selbst."

Die Hochschulen könnten aber den Studenten das Wissen und Können der hausärztlichen Versorgung nahebringen. "Wenn dabei die Freude und Befriedigung, die diese Tätigkeit bietet, auf die Studierenden überspringt, und sie für dieses Fach motiviert, ist das ein erfreulicher Zusatzeffekt", sagt Maisel.

In unserem Artikel "Uni Münster — studieren in der Fahrrad-Stadt mit Top-Rankings" erhalten Sie weitere Informationen zur Universität.

(RP)
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