Düsseldorf Unis suchen Talente in den Schulen

Düsseldorf · Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien schaffen den Sprung an die Hochschulen oft nicht. Um ihnen Brücken in die Welt der Wissenschaft zu bauen, schicken die Universitäten Düsseldorf und Wuppertal jetzt Talentscouts in die Schulen.

Stephanie Klapperichs Auftrag ist klar: Sie soll Talente finden. Als Talentscout der Universität Düsseldorf ist sie seit Ende April in den kommenden vier Jahren in den Schulen in Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss unterwegs, um Schüler anzusprechen, die das Potenzial für ein Studium mitbringen, dies aber bisher nicht in Erwägung ziehen. "In Deutschland entscheiden oftmals nicht vorhandene Talente über den Bildungsweg, sondern die familiären Hintergründe", sagt Klapperich. "Während 77 Prozent aller Akademikerkinder ebenfalls studieren, beträgt dieser Anteil bei Kindern aus Nicht-Akademiker-Familien nur 23 Prozent."

Dies zeigte die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes: So haben insbesondere Kinder und Jugendliche aus Familien ohne akademische Erfahrung oder Zuwanderungsgeschichte im stark selektiven deutschen Bildungssystem erhebliche Hürden zu überwinden und sind daher in den Hochschulen seit langer Zeit deutlich unterrepräsentiert.

Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, in dem man Kindern aus diesen Familien Brücken an die Hochschulen baut, ist Ziel des Talentscoutings. In NRW startete es zunächst an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen, wurde dann auf die Hochschulen im Ruhrgebiet und nun schließlich auf insgesamt 14 im ganzen Bundesland ausgeweitet. 50 Talentscouts sind unterwegs. "Es gibt viele Jugendliche, die die Option Studium gar nicht in Betracht ziehen, obwohl sie begabt sind, Talent haben. Die keinerlei Kontakt in die Hochschulwelt haben und sich daher auch nicht vorstellen können, dass sie in diesem Umfeld bestehen könnten, es sich nicht zutrauen. Und diese möchten wir finden und beraten", sagt Stephanie Klapperich. "Wer in weniger privilegierten Verhältnissen aufwächst, hat oft wenig Vertrauen in die eigenen Stärken und glaubt trotz guter Noten nicht an vorhandene Chancen."

Denn: Obwohl immer mehr junge Menschen Abitur machen und an die Hochschulen strömen - die gleichen Bildungschancen gäbe es eben nicht, so Klapperich. "Unabhängig vom Einkommen, Bildungsstand oder Nachnamen der Eltern wollen wir talentierte Jugendliche ermutigen, sich ein Studium zuzutrauen und sie dabei unterstützen, diesen Weg erfolgreich zu bestehen."

Die Talentscouts aus Düsseldorf werden 75 Schulen mit gymnasialer Oberstufe besuchen und dort mindestens einmal im Monat vor Ort sein. "Zunächst werden wir Gespräche mit den Lehrern suchen. Sie kennen ihre Schüler ja oft über Jahre und wissen auch, wer in das Programm passt", erklärt Klapperich. "Außerdem bieten wir Sprechstunden an, in denen wir für Fragen und ausführliche Beratungen da sind." Und per Facebook und WhatsApp sind die Scouts für die Schüler ebenfalls erreichbar.

Aber wer ist eigentlich ein Talent? "Natürlich spielen die Noten eine Rolle, denn für viele Fächer braucht man einen guten Abschluss", sagt Talenscout Klapperich. "Aber: Auch Fleiß, Organisationstalent und Zielstrebigkeit sind wichtige Eigenschaften. Und viele Schüler müssen ihre Familie unterstützen, indem sie auf jüngere Geschwister aufpassen oder sogar schon jobben gehen. Da leiden vielleicht die Noten - aber Potenzial zum Studium kann dennoch da sein." Niemanden zurücklassen, der eine akademische Laufbahn einschlagen könnte - das ist das Ziel des Projekts.

Doch damit es erfolgreich ist, müssen die Schüler die Beratung der Talentscouts auch annehmen. "Es ist bewusst niedrigschwellig, wir gehen in die Schulen, niemand muss allein das fremde Terrain Universität betreten", sagt Stephanie Klapperich. "Das wäre sicher eine Hürde." Zudem ist die Beratung langfristig angelegt, idealerweise beginnt sie schon in der zehnten Klasse.

"Wir wollen den Schülern helfen, sich mit der eigenen Zukunft auseinanderzusetzen, Ziele und Pläne und Visionen zu formulieren und diese dann Schritt für Schritt umzusetzen. Dabei ist es natürlich völlig in Ordnung, wenn sich jemand doch für eine Ausbildung oder auch für ein duales Studium entscheidet."

Die Talentscouts weisen auf die Möglichkeiten eines Info-Tags an der Uni hin, geben Tipps zum Schnupperstudium und öffnen Türen in der akademischen Welt. Durch ihre Kooperation können die Talentscouts aus Düsseldorf und Wuppertal dabei eine besondere Bandbreite anbieten: Denn egal ob Medizin und Jura in Düsseldorf oder Lehramtsausbildung und Ingenieurwissenschaften in Wuppertal: Den Schülern steht das gesamte Fächerspektrum offen. Und: Durch die lange Beratungszeit und gründliche Vorbereitung auf ein Studium sollen Abbrüche vermieden werden.

Übrigens: Auch die Eltern der Schüler werden in die Beratungen einbezogen. "Die Talente brauchen den Rückhalt der Familie", sagt Stephanie Klapperich. "Daher muss man vielleicht auch den Eltern mal erklären, was es eigentlich heißt zu studieren, oder welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt."

(RP)
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