Quidditch Wenn der Schnatz plötzlich Bus fährt

Bochum · Quidditch ist längst kein Zauberer-Sport mehr. An immer mehr Unis messen sich Studenten im Spiel, das man aus Harry Potter kennt.

Wenn in Hogwarts Quidditch gespielt wird, dann hat die Schul-Krankenschwester Madam Pomfrey alle Hände voll zu tun. Schließlich werden die Spieler, die einen Moment unachtsam sind, von den Klatschern attackiert und ausgeknockt vom Besen gefegt. Immer wieder trifft solch ein Klatscher auch Sucher Harry Potter, der auf der Jagd nach dem goldenen Schnatz oft böse Unfälle hat, die nachträgliches Knochenwachstum erfordern.

Wenn in Bochum Quidditch gespielt wird, geht es nicht ganz so gefährlich zur Sache. Auch wenn die aus den Büchern adaptierte Version des Spiels ein durchaus anstrengender Kontaktsport ist. Und tatsächlich sind auch Stürze vom Besen möglich: Jeder Spieler hat einen Besenstiel zwischen den Beinen - nur fliegen, das können die eben (noch) nicht.

Quidditch - das ist schon für die zuschauenden Zauberer in den Romanen nicht immer übersichtlich. Und auch wer dem studentischen Team der Ruhr-Uni Bochum beim Training zuschaut, hat es zunächst schwer, den Überblick zu behalten: Drei Jäger passen sich den Quaffel zu - in der Muggelwelt wird der Quaffel durch einen Volleyball ersetzt - und versuchen, durch einen der drei Ringe der gegnerischen Mannschaft zu werfen, um zehn Punkte pro Tor zu gewinnen. Der so genannte Hüter ist eine Art Torwart, der die Ringe seines Teams verteidigt. Zwei Treiber spielen mit Klatschern (Dodgebälle), die sie nach gegnerischen Spielern werfen, um diese auszuknocken. Jeder Spieler, der von einem Klatscher getroffen wurde, muss vom Besen absteigen und darf nicht ins Spiel eingreifen, ehe er die Ringe seines eigenen Teams berührt hat. Die Spieler und ihre Positionen werden durch Stirnbänder voneinander unterschieden.

Niklas Müller ist Hüter im Bochumer Team. Der 22-Jährige studiert Mathe im Master und hat das Quidditch-Spiel überhaupt erst im Ruhrgebiet etabliert. "Ich hatte Quidditch bei meinem Bachelor-Studium in Heidelberg kennengelernt. Parallel hat eine Freundin in Australien gespielt. Zum gemeinsamen Masterstudium in Bochum haben wir hier beim Hochschulsport das Training gestartet." Das war im Herbst 2015. Quidditch ist in Deutschland ein noch sehr junger Sport, erfunden wurde er vor rund zehn Jahren in den USA. Dort gibt es inzwischen schon zahlreiche Mannschaften, die sogar in Ligen organisiert sind.

Der Zauberersport ist eine Mischung aus Handball, Fußball und Rugby - und er ist anstrengend. Die Spieler sind permanent in Bewegung, geworfen werden kann meist nur mit einer Hand, da mit der anderen der Besen festgehalten werden muss. Dieser ist übrigens tatsächlich genormt und darf laut internationalen Statuten 80 bis 106 Zentimeter lang sein. "Im einschlägigen Versandhandel gibt es für uns Quidditch-Spieler inzwischen auch Harry Potters Besen-Modell, den Nimbus 2000", sagt Niklas Müller, selbst großer Fan der Romane. In Bochum "fliegt" man allerdings auf Kunststoffrohren. Harry Potter-Begeisterung sei außerdem kein Muss, um Quidditch zu spielen, so Müller. "In Bochum bieten wir drei Trainingszeiten pro Woche an. Es kommen zwischen zwölf und 30 Leute. Das Spiel ist körperlich und mental anspruchsvoll - das erwarten viele vorher nicht. Und richtig anstrengend ist es für den Schnatz-Spieler."

Der goldene Schnatz: Bei Harry Potter eine kleine, fliegende Kugel, die der Sucher fangen muss. Auf den hiesigen Spielfeldern der Muggel ist der Schnatz ein Mensch, dem ein Tennisball in einer Socke aus der Hosentasche baumelt. "Der Schnatz(-Spieler) kommt nach 18 Minuten aufs Feld - und wenn er gefangen ist, endet die Partie", sagt Niklas Müller. "So kann ein Spiel 18 Minuten und 20 Sekunden oder auch mal fast eine Stunde dauern - je nach Ausdauer." Der Schnatz-Spieler rennt vor den Suchern davon und darf sich auch körperlich verteidigen.

In der irdischen Version des Spiels hat die "International Quidditch Association", der weltweit Hunderte Teams angehören, den Bewegungsradius des Schnatz-Spielers übrigens eingeschränkt: "In den ersten Regelwerken konnte der Schnatz beispielsweise noch in den Bus steigen und wegfahren", erklärt Leander Troll, der an der Universität Bonn im Fach Psychologie promoviert und zu den Gründungsmitgliedern des dortigen Quidditch-Teams gehört. Das habe sich auf Dauer nicht als praktikabel erwiesen. Fahrradfahren und mit einer Wasserpistole rumspritzen ist aber erlaubt.

Wie im Roman wird Quidditch auch in der Menschenwelt in gemischten Teams gespielt. Dass findet Momo Matern, die in Bonn Politik studiert, besonders reizvoll. "Es ist eine der wenigen Sportarten, in denen Männer und Frauen gleichberechtigt auf dem Feld stehen." Praktisch jeder könne eine geeignete Position finden. Und alle loben die Verbundenheit zwischen allen Spielern. Kontakte zu ausländischen Mannschaften sind schnell geknüpft - und man trifft sich bei Meisterschaften und auf internationalen Turnieren. So gewann Bonn im Januar gegen fünf weitere Teams die deutsche Meisterschaft und trat dann beim "European Quidditch Cup" in Süditalien an. Und bei der kommenden Weltmeisterschaft in Frankfurt im Juli ist auch die deutsche Quidditch-Nationalmannschaft vertreten.

(RP)
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