Die Sprachbeobachter Wie die Dudenredaktion arbeitet

Mannheim · Der Duden gilt als die Instanz der deutschen Sprache. Das ist unumstritten und bekannt. Was aber sind das eigentlich für Menschen, die unsere Sprache nicht unwesentlich beeinflussen, wie arbeitet die Duden-Redaktion in Mahnnheim? Ein Einblick.

3000 neue Wörter im Duden
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3000 neue Wörter im Duden

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Marlies Herweg ist wahrscheinlich die Frau mit den meisten "Duden" auf ihrem Schreibtisch. Mindestens 60 verschiedene Bände des Wörterbuchs bilden eine meterbreite Front hinter ihrem Computer. Die 48-jährige Germanistin arbeitet in der telefonischen Sprachberatung der Duden-Redaktion in Mannheim.

200 Menschen rufen im Schnitt pro Tag bei der Hotline (0900/1870098) an. Manche seien verzweifelt, andere sogar in "psychischen Ausnahmezuständen", sagt Herweg. Zum Beispiel, wenn eine Werbeanzeige wenige Minuten vor dem Druck steht und die Schreibweise eines Wortes noch unklar ist. Seit 1880 ist der Rechtschreibduden das wichtigste Nachschlagewerk für die alltägliche Sprachpraxis. Am 7. Juli 2005 wird der "Duden", den es inzwischen auch auf CD-ROM gibt, 125 Jahre alt.

Telefonische Sprachberatung

Ungewöhnlich oft klingelte das Telefon in der "Duden"-Sprachberatung, als CDU-Chefin Angela Merkel zum Gegenpart von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gekürt wurde. Da wollten vor allem Medienvertreter, aber auch Berliner Politiker auf die Schnelle wissen: Heißt es Herausforderin oder Herausfordererin, Kanzlerkandidatin oder Kanzlerinkandidatin, Bundeskanzlerin Merkel oder Bundeskanzler Merkel? Die erste Version ist jeweils die richtige. Doch wer noch einen älteren Duden zu Hause hatte, konnte ins Grübeln geraten.

Denn während man in der im Jahr 2000 erschienenen 22. Auflage des Dudens noch vergeblich nach diesen weiblichen Bezeichnungen suchte, ist dies in der aktuellen 23. Auflage vom August 2004 schon anders.

Allerdings ist dies nicht etwa auf eine Vorliebe der Dudenredaktion für Merkel zurückzuführen. Man entschied sich schlicht dafür, endlich "auch die Femininform zu Berufsbezeichnungen" aufzunehmen, wie Werner Scholze-Stubenrecht, Projektleiter des Rechtschreibdudens und seit 1985 stellvertretender Leiter der Duden-Redaktion, erläutert.

Rechtschreibung ist nicht alles

Zu seinem Team gehören 20 Mitarbeiter. Alle sind ausgebildete Germanisten. Bei der Erstellung einer neuen "Duden"-Ausgabe wird das Wörterbuch üblicherweise in alphabetische Abschnitte eingeteilt, die jeweils von einem Redakteur systematisch durchgearbeitet werden.

Dabei gibt es nicht nur das Standardwerk "Die deutsche Rechtschreibung", sondern weitere elf Bände wie das Synonym-, das Stil-, das Aussprache-, das Herkunfts- oder das "Deutsche Universalwörterbuch". Bei der geplanten Neuauflage des Universalwörterbuchs wird etwa das "Plasmafernsehen" und die "Minusrunde" erstmals aufgenommen, verrät Redakteur Ralf Osterwinter.

Die Duden-Redaktion profitiert auch von der "Exzerptionsarbeit" von etwa einem halben Dutzend freier Mitarbeiter. Sie lesen Bestsellerromane, Tageszeitungen, Kataloge oder Broschüren und werten sie nach Wortbedeutungen oder Wortverwendungen aus.

"Rechtschreibpapst"

Seit ein paar Jahren hat die Duden-Redaktion auch die Möglichkeit, große Textmengen per Computer elektronisch zu durchforsten. In einem eigens aufgebauten "Korpus" sind Texte von Tageszeitungen, Sachbüchern oder Computerzeitschriften "komplett jahrgangsweise eingespeichert und markiert".

Zudem kann die Redaktion auf eine umfangreiche Haus-Bibliothek zurückgreifen, in der auch das Wörterbuch des sächsischen Hofrats Johann Christoph Adelung aus dem Jahr 1807 steht. "Danach haben schon Goethe und Schiller geschrieben", sagt Scholze-Stubenrecht.

Der "Urduden" erschien "erst" 73 Jahre später. Inzwischen gibt es die 23. Auflage mit 125.000 Stichwörtern. Die Korrektur der Rechtschreibrefom wird aber bald eine 24. Auflage nötig machen. Druck für die Redaktion? "Wir arbeiten ständig an allen unseren Wörterbüchern", sagt Scholze-Stubenrecht.

Auf Entscheidungen der Kultusministerkonferenz werde man "angemessen reagieren", sagt der 56-jährige "Rechtschreibpapst". In den 80er Jahren dauerte die Erarbeitung des Rechtschreibdudens noch ein bis zwei Jahre. Heute sei das "in wenigen Monaten" zu schaffen.

(afp/RPO)
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