Berlin Bundesrat entscheidet: PID wird in Ausnahmefällen eingeführt

Berlin · Die umstrittene Präimplantationsdiagnostik wird kommen. Die Skeptiker scheiterten mit dem Wunsch, höhere Hürden aufzubauen.

Hoch emotional ist der Streit um die Präimplantationsdiagnostik (PID) über Jahre geführt worden. Die Entscheidung gestern war — wie im Bundesrat üblich — sehr nüchtern. Der Bundesratspräsident, Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann, fragte: "Wer ist dafür, der Verordnung wie soeben festgelegt zuzustimmen?" und stellte dann fest: "Dann ist's so beschlossen." Gesundheitsminister Daniel Bahr kündigte kurz darauf an, Änderungswünsche der Länder an seiner Verordnung zu übernehmen — die PID kann somit kommen. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Für welche Elternpaare kommt die PID infrage? Es dürfte nach Schätzungen rund 200 Fälle in jedem Jahr geben. Bei der PID handelt es sich um Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas. Paare sollen nach einer künstlichen Befruchtung zu der Methode greifen können, wenn ihre Gen-Anlagen eine Tot- oder Fehlgeburt oder eine schwere Krankheit des Kindes außerordentlich wahrscheinlich machen. Embryonen mit Schäden sollen der Mutter nicht eingepflanzt werden. Wurde die PID in Deutschland bereits angeboten? Ja. Als der Bundestag vor mehr als 20 Jahren das strenge Embryonenschutzgesetz beschloss, gab es die PID in Deutschland noch nicht. Politiker gingen aber davon aus, dass die Gentests an Embryonen durch das bestehende Gesetz verboten seien. Doch der Berliner Arzt Matthias Bloechle wandte die Methode an — und brachte mit einer Selbstanzeige Fahrt in die Debatte. Der Bundesgerichtshof entschied im Jahre 2010, dass die PID zur Entdeckung schwerer Chromosomendefekte oder Erbkrankheiten keinen strafbaren Verstoß gegen geltendes Recht darstellt. Sie war danach also faktisch möglich. Wie kam es zur offiziellen Zulassung der PID? Es gab Tränen der Rührung, als der Bundestag im Juli 2011 abschließend debattierte — so gefühlsgeladen waren die Bekenntnisse einzelner Redner rund um Kinderwunsch und Tod. Verfechter eines strikten Verbots warnten etwa vor einer Selektion menschlichen Lebens. Die Befürworter verwiesen unter anderem darauf, dass Frauen sonst gezwungen würden, zur Abwendung einer Erbkrankheit gegebenenfalls abzutreiben. Am Ende hatten die Gegner klar verloren, denn die PID wurde im engen Rahmen zugelassen — auch wenn sie grundsätzlich verboten wurde. Warum verschlechterte sich die Lage für die Betroffenen seither? Als das Gesetz in Kraft trat, wurde zunächst nur das Verbot wirksam. Denn es fehlte eine Rechtsverordnung, die regeln sollte, wie die PID tatsächlich angeboten wird. Was wandten die Kritiker auch nach dem Bundestagsbeschluss ein? Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery warnte vor allzu optimistischen Botschaften an die Betroffenen. Wie bei jeder künstlichen Befruchtung sei eine Hormonbehandlung für das Heranreifen einer ausreichenden Zahl von Eizellen vorgeschaltet. Auch die Erfolgsquote bei den implantierten Embryonen von nur 25 Prozent müsse man den Paaren klarmachen. Die katholische Kirche pochte darauf, dass die Betroffenen "für das Leben" beraten werden müssten. Sie kritisierte, dass befruchtete Embryonen entsorgt würden. Worum drehte sich eigentlich der Streit zwischen Bund und Ländern zuletzt? Um die Zentren, in denen die PID laut Gesetz durchgeführt werden soll, sowie die Ethikkommissionen, die bei jedem einzelnen Paar darüber entscheiden müssen. So hatte Bayern gefordert, dass jedes Land selbst über die Zusammensetzung der Kommissionen entscheiden solle. Die Mediziner sollten in den Entscheidungsgremien keine Mehrheit haben. Gesundheitsminister Bahr wandte ein: So sei einem Flickenteppich Tür und Tor geöffnet. In einem Land gäbe es dann vielleicht besonders restriktive Einzelfallentscheidungen — im nächsten womöglich liberale. Wie geht es in der nächsten Zeit weiter? Der Bundesrat beschloss, dass die Behörden die PID-Zentren erst genehmigen müssen und deren Zahl somit begrenzen dürfen. Auch an weiteren Stellen soll der Verordnungsentwurf Bahrs geändert werden. Die Ethikkommissionen aber sollen nicht betont restriktiv geregelt werden. "Wir werden die Änderungen jetzt umsetzen und auf den Weg bringen", kündigte Minister Bahr postwendend an. Damit ist es nur noch Formsache, dass die Verordnung in der geänderten Fassung vom Bundeskabinett abgesegnet wird. Dann muss die Infrastruktur mit Zentren und Kommissionen aufgebaut werden. In rund zwölf Monaten hätten dann auch in Deutschland betroffene Paare eine Chance auf gesunde Kinder, heißt es im Ministerium.

(DPA)
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