Hausärztemangel Ärzte zweiter Klasse?

Der Ärztemangel auf dem Land steigt weiter dramatisch an. Nur jeder zweite Hausarzt findet einen Nachfolger. Medizin-Studenten und Professoren sprechen über die Gründe.

 Bessere Arbeitsbedingungen für Allgemeinmediziner — das wünscht sich auch Amir Hamdan von der Fachschaft Medizin der Heine-Uni.

Bessere Arbeitsbedingungen für Allgemeinmediziner — das wünscht sich auch Amir Hamdan von der Fachschaft Medizin der Heine-Uni.

Foto: GEORG SALZBURG

Masterplan Medizinstudium 2020" heißt ein Papier der Bundesregierung, der über eine Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium dem Mangel an Hausärzten entgegenwirken will. Doch Mediziner sehen dies kritisch: Die Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum durch die Stärkung der Allgemeinmedizin in den Studieninhalten zu verbessern, sei nicht plausibel, heißt es in einer Stellungnahme des Medizinischen Fakultätentages (MFT). "Hier handelt es sich um ein Verteilungsproblem, dass nur durch eine Steigerung der Attraktivität des Berufs gelöst werden kann."

Diese Auffassung vertritt auch Professor Stefan Herzig, Prorektor für Lehre und Studium der Universität zu Köln: "Der Haupt-Anreiz muss ein angemessener Lohn, angemessen ausgestattete berufliche Tätigkeiten sowie berufliche Autonomie sein. So lang Allgemeinmediziner auf dem Land doppelt so viel Zeit investieren und dabei halb so viel verdienen wie Fachärzte, werden Studierende der Medizin wenig geneigt sein, als niedergelassene Hausärzte in ländliche Regionen zu gehen."

Einer Einführung gesonderter Zulassungskriterien - auch eine Idee aus dem Masterplan -, steht der Mediziner sehr kritisch gegenüber: "Die Zugangsvoraussetzungen für die Allgemeinmedizin zu lockern, würde diese Fachrichtung streng genommen zu Ärzten zweiter Klasse degradieren - das darf auf keinen Fall passieren."

Die Allgemeinmedizin sei im Studium zudem schon sehr präsent, sagt Professor Stefanie Ritz-Timme, Studiendekanin der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf. "Vermutlich liegt der Kern des Problems eher darin, dass der Hausarzt auf dem Land auch heute noch unter - im Vergleich zur Stadt - eher ungünstigen Bedingungen arbeiten muss."

Diese Ansicht teilen viele Studierende. Amir Hamdan konnte sich zu Beginn seines Medizinstudiums durchaus vorstellen, in die Allgemeinmedizin zu gehen. "Der Gedanke, etwas Übergreifendes zu machen und den Patienten mit all seinen Beschwerden grundlegend zu beraten, hat mich sehr interessiert", sagt der Medizinstudent der HHU.

Fünf Jahre später ist der 24-Jährige von dieser Vorstellung komplett abgekommen - ebenso wie viele seiner Kommilitonen, mit denen sich der Fachschaftler der Medizinischen Fakultät austauscht. Neben den im Vergleich zu anderen Fachärzten schlechteren Arbeitsbedingungen wie etwa der Bezahlung ist es vor allem die weniger werdende medizinische Verantwortung, die er mit Sorge betrachtet: "Wir beobachten eine Entwicklung hin zum ,Internist light', der budgettechnisch nur noch banale Erkrankungen wie Schnupfen selbst behandeln kann und seine Patienten sonst zu Fachärzten weiterleiten muss", kritisiert Amir Hamdan. "Ein spannendes Berufsbild wird zunehmend zur Verwaltung chronisch Kranker."

Das bestätigt auch der niedergelassene Hausarzt, bei dem der Medizinstudent aktuell seinen Pflichtmonat im Rahmen der Famulatur absolviert. "Der Allgemeinmediziner konnte früher kleinere chirurgische Eingriffe oder Allergietests selbst durchführen", sagt Amir Hamdan. "Das ist abrechnungstechnisch heute überhaupt nicht mehr drin." Er strebt mittlerweile an, seinen Facharzt in der Unfallchirurgie zu machen.

Der geplanten Reform des Medizinstudiums steht die medizinische Fachschaft der HHU kritisch gegenüber. Man hat Angst, Wahlmöglichkeiten zu verlieren: "Natürlich bildet die Allgemeinmedizin einen wichtigen Teil in der Lehre ab. Wir halten es allerdings für falsch, dass man uns dazu zwingen will, dieses Gebiet im praktischen Jahr zu vertiefen", sagt Amir Hamdan.

(RP)
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