Gute Mails, schlechte Mails "Hallöchen, Herr Professor!"

Der richtige Ton macht auch im Studium die Musik. Ihn zu treffen, gelingt nicht jedem Studenten.

 Mal eben so eine E-Mail an den Dozenten zu schreiben, ist keine gute Idee: Auch hier gibt es Regeln.

Mal eben so eine E-Mail an den Dozenten zu schreiben, ist keine gute Idee: Auch hier gibt es Regeln.

Foto: Solovyova/thinkstock

Wie praktisch doch E-Mails sind. Man kann unkompliziert jemanden benachrichtigen, und das per Smartphone von nahezu überall aus. Studenten kontaktieren auf diese Art auch immer öfter ihre Dozenten. Fragen nach Vorlesungszeiten oder die Entschuldigung für ein versäumtes Seminar sind im elektronischen Brief schnell formuliert und verschickt - manchmal zu schnell. Häufig verfehlen die Studenten im Mailkontakt mit den Professoren den richtigen Ton um Längen. Manche kumpeln herum, andere verrennen sich in gestelzten Phrasen.

Jan Seifert, Dozent für Germanistische Linguistik an der Universität Bonn, wird in seinem PC-Postfach täglich mit Dutzenden Stilblüten seiner Studenten konfrontiert. Das hat ihn derart beschäftigt, dass er Hunderte E-Mails sprachwissenschaftlich analysiert hat. Ergebnis: Studenten schreiben so viele Mails an ganz unterschiedliche Menschen, dass ihnen mitunter das Verhältnis von Nähe und Distanz zum Adressaten entgleitet. Seifert hat in seiner wissenschaftlichen Abhandlung echte Nachrichten, die er bekommen hat, aufgeführt und untersucht. In einem der Beispiele macht der Verfasser so ziemlich alles falsch:

Abgesehen von der miserablen Groß- und Kleinschreibung und dem völligen Ignorieren von Kommata: Schon die comichafte Betreffzeile sei hanebüchen, sagt Seifert, "zudem lässt sie überhaupt keinen Rückschluss zu, worum es geht." Nächster Fauxpas: Die Anrede "Guten Abend". Sie zeige, dass der Absender seine Worte zu später Stunde verfasst hat. "Das kann beim Empfänger den Druck erzeugen, ständig erreichbar zu sein, auch abends", sagt Seifert. Deshalb rät er, auf Tageszeiten ganz zu verzichten. Auch ein "Hallöchen, Herr Professor", wie ihn schon Studenten angeschrieben haben, sei unangebracht. Seifert rät stattdessen zu einem ebenso sachlichen wie höflichen "Sehr geehrter Herr XY".

Das nächste Fettnäpfchen ist inhaltlicher Natur. Offenbar war der Absender in der Lage, seine Freundin zu benachrichtigen, sah sich jedoch nicht in der Lage, selbst den Dozenten anzusprechen. Dieser Umweg sei "etwas respektlos", sagt Seifert. Auch flapsige Formulierungen wie "mit dem ollen Ding" seien unangemessen. Dann die Verwendung eines Emoticons. Mit dem Zeichen ;-), was neckisches Zuzwinkern mit einem Auge bedeutet, rücke sich der Student in eine unangebracht vertraute Nähe zum Dozenten.

Um die Katastrophen-Mail komplett zu machen, macht sich der Absender am Ende nicht einmal die Mühe "Liebe Grüße" auszuschreiben und kürzt stattdessen mit "lg" ab - und wählt mit dem Wort "liebe" zudem erneut einen sehr privaten Begriff. Mit der klassischen Verabschiedung "mit freundlichen Grüßen" könne man dagegen kaum etwas falsch machen, findet Seifert.

Statt einer zu vertrauten, geradezu kumpelhaften Wortwahl schlagen manche jedoch ins andere Extrem um, hat Seifert bemerkt. "Sie versuchen sich krampfhaft an einer hochgestochenen Sprache, um eine Distanz zu wahren und auch, um sich selbst in besserem Licht zu präsentieren. Das funktioniert fast nie." Er musste bereits Sätze wie diesen lesen: "Aufgrund einiger Komplikation bei der Modulbelegung, wollte ich in Erfahrung bringen, ob ich ohne Probleme einen Gruppenwechsel vollziehen kann." Das müsse gradliniger formuliert werden, um es schneller verständlich zu machen. Denn Dozenten bekommen viele Mails und haben oft wenig Zeit, sie zu durchforsten.

Mitunter schicken Studenten auch aus schierer Bequemlichkeit eine Nachricht und verstopfen so unnötig die ohnehin schon strapazierten Postfächer. "Fragen per Mail zum Beispiel nach Sprechstunden, sind völlig unnötig, wenn die Zeiten im Gebäude aushängen. Das macht keinen guten Eindruck", sagt Seifert.

(RP)
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