Das Cognac-Comeback

Cognac und Sherry galten als Altherren-Getränk - nun erleben sie aber auch an der Bar ein Comeback. Die gute Nachricht für Einsteiger: Das Schwenker-Glas braucht es nicht.

Wer an Cognac und Sherry denkt, der hat diese Bilder vor Augen: Eine gediegene Bibliothek, schwere, dunkle Lederfauteuils, die Herren ziehen zum Cognac an einer dicken Zigarre, die Damen nippen am Sherry, der in edlen geschliffenen Kristallgläsern serviert wird. Jürgen Deibel aus Hannover geht es da nicht anders. "Den beiden haftet der Mief eines Altherrengetränks an", sagt der Spirituosen-Fachmann oder - wie man es weltgewandt ausdrückt - "International Independent Spirits Consultant". Dabei ist dieses Image nicht gerechtfertigt, denn gerade in den vergangenen Jahren haben sich Cognac und Sherry ihren Platz an der Bar zurückerobert. Sie werden längst nicht mehr von englischen Aristokraten und deutschen Industriellen getrunken, die "Goldfischglas"-große Cognac-Gläser vor sich schwenken.

Die gute Nachricht für Cognac-Einsteiger: Sie brauchen das bauchige Glas nicht, das früher in jeder Hausbar zu finden war und wie der Cognac aus der Mode gekommen ist. "Das ist zwar das traditionelle Glas, aber es nicht das perfekte Glas, um einen Cognac zu genießen", sagt Deibel und erklärt, wie die erste Begegnung mit dem gebrannten Weißwein gelingt: Den Cognac sollte man erst ruhig im Glas halten und seine Aromen in sich aufnehmen. Dann sanft schwenken - nicht schütteln! Und bitte nicht die Nase ins Glas, sondern darüber halten. Durch das Schwenken wird der Alkohol nach oben gedreht, wer zu nah ran geht, dem beißt nur der Alkohol in der Nase, und er kann nicht die "Schönheit und Feinheit" im Cognac wahrnehmen, sagt Deibel. Und der muss es wissen, trägt er doch wegen seiner Verdienste um den Cognac auch den Titel "World's First Cognac Educator". Laut seinem Erziehungsberechtigten ist anstelle des Schwenkers ein tulpenförmiges "Nosing-Glas", das nach oben hin weiter geöffnet ist, daher besser geeignet.

Cognac war allerdings nie ganz aus der Barszene verschwunden. So gibt es immer noch den beliebten Cocktail "Sidecar". Den klassischen Cognac-Drink "Sazerac" kennen viele allerdings nur noch mit Whisky. In manchen Kreisen galt es schon länger als hip, Cognac zu trinken, vor allen Dingen den teuren. So veröffentlichte Hip-Hop-Künstler Busta Rhymes 2001 den Song "Pass the Courvoisier". Neben dem Tropfen aus Jarnac sind Rémy Martin, Hennessy und Camus andere berühmte Marken. Manche Cognacs können je nach Reifung Hunderte, wenn nicht Tausende Euro kosten. Die Angabe VS bedeutet, das jüngste Destillat im Cognac ist mindestens zwei Jahre alt, V.S.O.P. mindestens vier und XO mindestens sechs - ab kommenden April steigt es auf zehn Jahre.

Was dem Cognac beim Comeback hilft, sind seine Vielseitigkeit und seine lange Geschichte. Der gebrannte Wein, der nur in den französischen Arrondissements Charente und Charente-Maritime destilliert werden darf und einen Alkoholgehalt von mindestens 42 Prozent haben muss, kann sowohl als Apéritif als auch als Digéstif getrunken werden. Wer dem Cognac einen Gefallen tun möchte, bezeichnet ihn bitte nicht als Weinbrand, auch wenn es gebrannter Wein ist. Weinbrand hat nur 38 Prozent Alkohol, den Begriff hat Hugo Asbach Ende des 19. Jahrhunderts für sich reklamiert. Hintergrund des Wiederaufschwungs des Cognacs ist auch eine Kampagne der großen Häuser, die 2008 zu einem Gipfel der Barszene baten, um den Drink voranzubringen und mit Beigaben wie Ingwer und Limette modern und bartauglich zu machen. Die Aktion ist geglückt, die Verkaufszahlen steigen wieder.

Einen noch schwereren Stand haben der Sherry und andere "gespritete Weine" wie Port, Madeira oder Marsala. "Ich arbeite in Deutschland daran", sagt Deibel, der sich auch "Sherry Educator" nennen darf. Deutschland ist für die Weine mit zwischen 15 bis 18 Prozent Alkohol noch Entwicklungsland - England hingegen hat eine lange Sherry-Tradition. Warum es hier an Fans mangelt, liegt für Deibel daran, "dass wir verlernt haben, den Genuss zu zelebrieren". Früher begleitete der Sherry mit seinem Facettenreichtum ein ganzes Dinner: Vor dem Essen wurde ein Fino oder ein Manzanilla gereicht, den ersten Gang begleitete ein Amontillado, zum Abschluss gab es einen Oloroso. "Dieses Gaumenspiel versagen wir uns", bemängelt Deibel, "das Gesamtkonzept des Sherry wird nicht mehr gelebt." Das allerdings wäre auch ein großes Ziel - ein Apéritif mit Sherry wäre ein Anfang. Deibel empfiehlt einen "Fino Tonic". Dafür wird ein fünf Grad kühler Fino mit Tonic-Wasser aufgegossen, der Drink schmeckt herb und erfrischend - der nächste Sommer kommt bestimmt.

(RP)
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