Tinguely-Schau im Museum Kunstpalast Das rappelt so schön!

Die Tinguely-Schau im Museum Kunstpalast bringt Menschen zum Staunen: auch Kinder, Senioren und eingeladene Flüchtlinge.

"Kinder", so hat Jean Tinguely immer wieder betont, seien sein Lieblingspublikum. Tatsächlich faszinieren die rasselnden, quietschenden, verspielten, manchmal auch unheimlichen gigantischen Maschinenskulpturen alle Besucher gleichermaßen.

Warum reizt die Menschen an der Jean-Tinguely-Ausstellung?

Wer drin ist, ist glücklich! Die Besucherkommentare sind in dieser Hinsicht aufschlussreich und positiv. "So schön kann Sinnlosigkeit sein", heißt es, oder: "Wir kommen mit unseren Enkeln wieder."

Was lernen wir über Kunst?

Es ist viel Spiel in der Ausstellung, mit seiner analogen Präsenz bildet sie die Gegenwelt zur angenommenen digitalen Wirklichkeit.

Was lernen wir von Tinguelys Maschinen?

Dass Kunst nie aus dem Nichts entsteht. Tinguely hat Riesencollagen aus Fundstücken geschaffen. Für ihn sind es Bilder für eine chaotische Welt. Welttheater!

Wie nennt man diese Arbeiten?

Es sind eigentlich keine Skulpturen im klassischen Sinne, sie wurden ja nicht wie einst der "David" von Michelangelo aus Marmorblöcken herausgehauen. Man nennt sie kinetische Plastik, Installation oder Materialcollage. Manche Arbeiten sind riesige und begehbare Raumskulpturen.

Wie kam Tinguely auf seine vielen Ideen?

Dieser Künstler hatte unendlich viel Fantasie. Er wollte kein unbewegtes Bild für die Wand anfertigen. Er wollte auf jeden Fall die Dinge in Bewegung setzen. Außerdem war er natürlich Kind seiner Zeit, die ihn sehr beeinflusste. Die Zeit, in der er lebte, war vor allem vom Krieg geprägt und von technischen Revolutionen.

Was sollen und müssten wir heute von dem 1991 gestorbenen Schweizer Künstler wissen und behalten?

Er ist nicht nur in der Schweiz populär, sondern ein international beachteter Künstler-Star. Bekannt sind vielen Menschen vor allem seine Brunnen. Tinguely war charmant, und er liebte die Menschen, die er mit seiner Kunst erfreuen wollte. Er führte wie ein Schausteller seine Maschinen vor, genoss es. Und die Menschen sagen: Guck mal, wie schön das rappelt. Tinguely wird aber nicht nur vom großen Publikum geschätzt, sondern ebenso von den besten Künstlerkollegen.

Was erfahren wir noch über Tinguely in der großen Ausstellung?

Etwa, dass er zu Beginn für den Sohn seiner Partnerin bewegliches Spielzeug gebaut hatte und dass er wahnsinnig gerne mit anderen Künstlern zusammenarbeitete, oder auch, dass er einige Zeit in Düsseldorf verbracht hat. Und er inszenierte sich gerne. Als er einmal in Paris verhaftet wurde, freute er sich über die Fotografie, die davon bis heute Zeugnis gibt.

Wie reagieren Kinder?

Die staunen! Die Erwachsenen aber auch. Solche Tabubrüche gibt es nur selten im Kunstmuseum, diesen Lärm, dieses Lachen... und dass man viele Maschinen selbst in Gang setzen kann. Und dass ein Spülbecken nicht nur zum Salatwaschen dient, sondern sich gut macht als Klang-Objekt.

Und was ist das Interessante für ältere Menschen?

Sie haben vielerlei Anknüpfungspunkte, weil ein Teil der verbauten Objekte mit ihrer Vergangenheit zu tun und heute seine Bedeutung verloren hat. Wie alle Besucher genießen sie den Unterhaltungswert, für den es keinerlei kunsthistorischer Vorkenntnisse bedarf - und dass man, wenn man will, auch tiefsinnig über diese Kunst nachdenken kann.

Eignet sich die Schau für Menschen mit Migrationshintergrund ?

Unbedingt. Dank einer Spendenaktion der Commerzbank-Stiftung waren Flüchtlinge da, darunter Menschen, die nie zuvor im Museum waren. Auch hier die Reaktion: Großes Staunen. In jedem Menschen wird das Kind wiedererweckt.

Was ist die große Überraschung?

Tinguely macht uns die Sinnlosigkeit des Hamsterrades klar, gescheiterte Utopien, und er gemahnt Vergänglichkeit.

Die kühnste Idee?

Dass er Zeichenmaschinen baut, die den Künstler überflüssig machen, aber diese Maschinen sind so kunstvoll, dass sie selber Kunst sind.

Was ist typisch schweizerisch?

Tinguely war charmant, intelligent und ein Anarchist. Vielleicht kann man ihn zwischen dem Dadaismus, der in Zürich entstand, und dem Schweizer Duo Fischli & Weiss einordnen.

Anekdote gefällig? Als Beat Wismer Tinguely einmal begegnete, notierte der Künstler für ihn seine Telefonnummer auf einer Streichholzschachtel. In seiner spielerischen Art gestaltete er die 3 x 5 cm große Schachtel als kleines Kunstwerk.

(RP)
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