Ein Gedi Das Tote Meer steht vor dem Exitus

Ein Gedi · Der einzigartige Salzsee im Nahen Osten verfügt über besondere Heilkräfte. Doch ist er vom Austrocknen bedroht.

Still schimmert das Tote Meer türkisblau in der Wintersonne. Ein paar Touristen waten ins Wasser. Wegen des extrem hohen Salzgehalts kann man sich in ihm treiben lassen wie ein Korken, der nicht untergeht. Es ist ein einzigartiger Ort, gelegen am tiefsten begehbaren Punkt der Erde - etwa 420 Meter unter dem Meeresspiegel. Doch die Idylle ist in Gefahr. Das als Heilquelle für Hautkranke und Allergiker bekannte Meer zwischen Jordanien, Israel und den Palästinensergebieten trocknet aus.

"Gut einen Meter sinkt der Wasserspiegel im Jahr", sagt die Umweltschützerin Gundi Schachal. Ein Grund ist, dass das Süßwasser aus seinem Hauptzufluss, dem Jordan, fast komplett abgepumpt wird. Im Süden des Sees tragen die Unternehmen Dead Sea Works und die Arab Potash Company (Jordanien) zum Rückgang des Wasserpegels bei. Sie lassen Wasser verdampfen, um kostbare Mineralstoffe zu gewinnen. Früher konnten Besucher des Ein Gedi Spa direkt ins Wasser gehen, heute muss ein Traktor sie in kleinen Wagen fast zwei Kilometer weit an den Strand ziehen.

Auf dem Weg zum Strand lauern Tücken. Die Erde ist porös, bei jedem Schritt kann der Boden einbrechen. Rund 5000 Senklöcher haben sich mittlerweile gebildet. Vier Menschen seien bereits verletzt worden, erzählt Schachal. Einige Löcher, die 25 Meter tief und 40 Meter breit werden können, ähneln Mondkratern, manche davon sind mit Wasser gefüllt. Die Löcher entstehen, weil unterirdische Salzschichten durch Süßwasser ausgewaschen werden, das dem sich zurückziehenden Meerwasser folgt. Dadurch entstehen Hohlräume.

Das Austrocknen des Salzmeers, wie es auf Hebräisch heißt, birgt weitere Gefahren für die Natur. Viele Wildtiere leben in umliegenden Oasen, darunter Steinböcke, Adler und Füchse. Ein Naturreservat am Toten Meer sei eine wichtige Ruhestation für Zugvögel, von denen rund 500.000 die Region zweimal im Jahr durchqueren, sagt Schachal.

Zur Rettung des Toten Meers haben sich die Anrainer Israel, Jordanien und die Palästinenser mit der Weltbank auf den Bau eines "Friedenskanals" geeinigt. Vom Roten Meer soll Wasser in eine Entsalzungsanlage in der jordanischen Küstenstadt Akkaba gepumpt und dort zu Süßwasser verwandelt werden. Die übrig gebliebene Salzlake soll durch eine Pipeline ins 180 Kilometer entfernte Tote Meer gepumpt werden. Durch den Transport auf abfallendem Gelände soll zusätzlich Strom gewonnen werden.

Umweltschützer warnen jedoch vor möglichen gefährlichen Auswirkungen des Projekts auf das Ökosystem. "Das Wasser im Roten Meer hat eine ganz andere Chemie als das Wasser im Toten Meer", sagt Schachal. Durch die Mischung könne sich etwa Gips bilden. Außerdem könnten Algen aus dem Roten Meer importiert werden, die das Ökosystem im Salzmeer stören könnten. Die deutsche Naturschützerin, die im Kibbutz auch einen kleinen Zoo betreibt, plädiert für eine Wiederbelebung des Jordan-Flusses, indem man weniger Wasser abpumpt.

Stephan Kempe, Geologe der TU Darmstadt sieht das internationale Projekt jedoch als kleineres Übel. "Natürlich wäre es schöner, den Jordan zu reanimieren", sagt Kempe. "Aber das ist unrealistisch." Das Frischwasser - auch in den Oberläufen - werde von Syrien, Jordanien, Israel und den Palästinensern gebraucht, insbesondere angesichts der Flüchtlingskrise. Selbst wenn der Jordan in voller Kraft fließen sollte, würde das den Pegel im Toten Meer nicht erhöhen.

(DPA)
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