Das Auto Der Deutschen große Liebe

Bonn · Im Bonner Haus der Geschichte geht eine neue Ausstellung der Liebe zum Auto nach - und was wir damit verbinden.

Man hätte mit der Bahn fahren sollen. Denn natürlich sind die Straßen auf dem Weg nach Bonn (vorbei an Köln) wieder verstopft. Wer also in der nächsten Zeit einmal dem Haus der Geschichte einen Besuch abstatten mag, dem sei entweder empfohlen: nicht wie all die anderen früh morgens loszufahren oder, noch besser, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Das Haus der Geschichte hat im Kellergeschoss sogar einen eigenen Zugang zur U-Bahn-Station. Im Stockwerk darüber geht es nun um Autos.

Im Erdgeschoss des Museums ist nämlich ab sofort eine Ausstellung zu sehen, die "Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos" heißt, und man betritt sie durch eine Autowaschanlagen-Miniatur mit Bürstenwalzen und allem anderen. Geradewegs steuert man dann auf eine Deutschlandkarte zu, auf die die Ausstellungsmacher Umfrageergebnisse projizieren, und erfährt gleich eine erste Erschütterung. Denn 69 Prozent der Befragten stimmen folgender Aussage zu: "Ich liebe mein Auto."

63 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage des Forschungsinstituts YouGov gaben zudem an: Für Deutschland stehe Volkswagen. Zum Vergleich: Nur 45 Prozent der Befragten sagten das über Bundeskanzlerin Angela Merkel und Dichter-Superstar Johann Wolfgang von Goethe. Auch wenn in Deutschland die Fahrradwege in den Innenstädten zuletzt breiter werden, scheint das Auto hierzulande also immer noch einen gewissen Stellenwert zu genießen. 45,8 Millionen Pkw waren dem Kraftfahrt-Bundesamt zufolge im Januar dieses Jahres in Deutschland gemeldet. Auf mehr als jeden zweiten Deutschen kommt also ein Auto.

Man liebt es oder man hasst es und fährt trotzdem eins, es gibt wohl keinen Gegenstand, der so sehr emotional aufgeladen wird wie das Auto: mit Erinnerungen an den ersten Urlaub ohne Eltern in Italien; mit dem Ärger über den zähfließenden Verkehr gestern Morgen auf dem Weg von Düsseldorf nach Bonn. Wer, bei allem Respekt, im Kreise älterer Semester einmal die Wörter "Käfer" oder "Ente" hat fallen lassen, kann sich stundenlang Geschichten anhören. Darum ist diese Ausstellung in Bonn auch kein Autosalon, in dem man sich Oldtimer und Rennschlitten anschauen kann, sondern sie zielt auf die soziale und kulturelle Bedeutung des Automobils. Neben dem "Autoland" sind die Ausstellungsräume etwa dem Tempo, der Freiheit und der Zukunft gewidmet. Und weil das Auto den Deutschen eben immer noch so wichtig scheint, haben die Ausstellungsmacher auch einen Mann für ihre Schau gewonnen, den sich viele Menschen Umfragen zufolge als Staatsoberhaupt vorstellen könnten: Günther Jauch. Der Fernsehmoderator ist vom Tonband zu hören und erzählt: Auch wenn er mit den Jahren immer weniger fahre, aufs Auto wolle er nicht verzichten. Allein die Möglichkeit "loszufahren, wohin ich jetzt gerade möchte, ist mir immer noch viel wert". Eine Reproduktion seines Führerscheins, löchrig und vergilbt, wurde extra angefertigt und liegt aus. Das Original konnte Jauch nicht herausgeben, denn damit fährt der 60-Jährige noch immer herum.

800 Exponate hat das Haus der Geschichte für die Ausstellung zusammengetragen, Plakate, einen Fahrsimulator und Tauschverträge: 1980 tauschten zwei Herren in der DDR ein 40-Quadratmeter-Gartenhäuschen gegen einen gebrauchten Wartburg 353. Es gibt Nippes (Fuchsschwänze und Wackeldackel), eine Fotografie vom autofreien Sonntag in den 70ern - Bildunterschrift: "Entzauberung" -, und in einer Ecke kann man sich Tonspuren anhören und raten, zu welchem Wagen dieses oder jenes Motorengeräusch gehört. Der Tesla SP 85+ klingt demnach wie ein Staubsauger auf Stufe eins, der Audi Quattro hingegen etwas lauter.

Vom DDR-Sportwagen Melkus RS 1000 - 70 PS und 160 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit - wurden zwischen 1969 und 1979 nur 101 Fahrzeuge in Dresden gefertigt. Kaufpreis damals: 30.000 DDR-Mark. Lieferzeit: maximal zwei Jahre. Einer der wenigen erhaltenen Wagen ist nun gleichfalls in Bonn zu sehen, genauso wie der "Manta, Manta"-Manta, das Original-Fahrzeug aus dem gleichnamigen Kinofilm mit Til Schweiger von 1991. Der Opel wurde für die Filmproduktion ordentlich aufgemotzt und ist der Hingucker der Ausstellung, Denn auch wenn das viele Menschen nicht zugeben würden, kann so ein Wagen schließlich auch eine Angeberkarre sein. Gerade im Film ist das eine altbewährte Erzählung: Die Tochter aus gutem Haus nimmt sich da grundsätzlich einen Jungen zum Freund, der schon ein Auto hat. Der Kerl ist selbstverständlich ein Aufschneider, aber das merkt sie dann schon auch noch.

In Bonn haben sie dem "Image" und der "Macht" eigene Ausstellungsräume gewidmet, man darf sich einen Mercedes-Benz 600 Pullman aus der Nähe anschauen, eine bundesrepublikanische Staatskarosse mit beigen Sitzbezügen und reichlich Platz. Das Auswärtige Amt mietet solche Wagen für Staatsbesuche an, erfährt man. Seit 1965 übrigens, damals nahm Queen Elizabeth II. in einem der repräsentativen Fahrzeuge Platz.

Natürlich ist ein Auto auch bis heute ein Statussymbol für Unternehmer und Führungskräfte und für Menschen, die es sich leisten können; und auch für solche, denen das besondere Auto ganz besonders wichtig ist, und die statt auf den teuren Wagen lieber auf andere Dinge verzichten. Mit dem Machtsymbol Auto wird auch Politik gemacht, zuletzt aber immer häufiger mit umgekehrten Vorzeichen. Zum guten Ton bei gerade erst gewählten Bürgermeistern gehört es heute, den Dienstwagen des Vorgängers durch ein kleineres Modell zu ersetzen oder aber gleich auf Bus, Bahn oder Rad umzusteigen. Papst Franziskus fuhr vor zwei Jahren mit einem Fiat-Kleinwagen am Weißen Haus in Washington vor. Bescheidenheit wollte der Papst ausdrücken. Der schwarze Fiat 500L wurde im Jahr darauf für 82.000 US-Dollar (76.000 Euro) versteigert.

Man muss kein Autonarr sein für die Ausstellung, man muss mit Motorleistungen, Beschleunigungen und all dem Technik-Schnickschnack vom Autoquartett überhaupt nicht vertraut sein. Man kann sogar ohne Führerschein durch das Haus der Geschichte schlendern und sich amüsieren, etwa darüber, dass eigens Düfte für bestimmte Automarken produziert werden. Hochkonzentriert riechen alle gleich streng. Nur ein Duft namens "BMW Natural Air - Sparkling Raindrops" macht an der Probier-Station am Rande der Schau einen erträglichen Eindruck.

(kl)
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