Persönlich Herbert Marcuse Der Lieblingsdenker der Protest-Studenten

Ein fast 70 Jahre alter Soziologe nährte die Revolution mit seinen Thesen. Herbert Marcuse war enorm einflussreich.

Herbert Marcuse (1898-1979) war der Star vor allem der Berliner Studenten. Der in Berlin geborene Denker war nach der Machtergreifung zunächst in die Schweiz und dann in die USA emigriert. Er lehrte Philosophie in Brandeis und Politologie in San Diego, und 1967 kam er als Gastprofessor für mehrere Vorträge nach Berlin. Kurz nach der Ermordung Benno Ohnesorgs veränderte er die Handlungsbewegung der aufgebrachten Studentenschaft, indem er nahelegte, dass die Möglichkeiten der revolutionären Veränderung längst gegeben seien, da die technischen Voraussetzungen dafür bereits in der Welt waren.

Der Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten war durch die Emigration heimatlos geworden, und Zugehörigkeit fand er in der Philosophie: bei seinen Lehrern Husserl und Heidegger und in den Schriften von Marx und Freud. Sein Thema war das Verschwinden des Individuums zwischen verselbstständigtem technischen Großsystem und einer Kultur, die den Eros unterdrückt. Der Faschismus war seiner Meinung nach ein Kind von Kapitalismus und Liberalismus. Und vor allem in seiner 1967 auf Deutsch erschienenen Schrift "Der eindimensionale Mensch" beschrieb er das Individuum als Objekt, als manipuliertes Ding, das Selbstständigkeit und Würde im Tauschwert der Waren verloren habe. Die Konsumwelt, so Marcuse, sei im Grunde bloß getarnte Sklaverei.

Marcuse war mit den Bürgerrechtsbewegungen an den US-Universitäten vertraut. Viele Studenten lasen in seinen Gedanken einen Appell zu revolutionären Unternehmungen. hols/Foto: dpa

(RP)
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