Forscher "Deutsche Sprache ist nicht von Anglizismen bedroht"

Bremen · Sprachforscher empfinden es aber als gravierend, dass Deutsch an Universitäten und Banken vom Englischen verdrängt wird

Die deutsche Sprache ist nach Meinung des Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft für deutsche Sprache, Rudolf Hoberg, durch Anglizismen nicht bedroht. Sie habe schon immer englische Ausdrücke aufgenommen, daran sei nichts schlimm, sagte der renomierte Sprachwissenschaftler in einem Interview. "Nach der letzten Duden-Ausgabe haben wir etwa 3,5 Prozent Anglizismen, aber 20 Prozent andere Fremdwörter, über die sich die Leute meistens gar nicht aufregen", betonte Hoberg, der bei der Bremer Konrad-Adenauer-Stiftung zu diesem Thema referierte, das in der Regel viele Menschen beschäftigt und auch aufregt.

Gravierender sei dagegen, dass die deutsche Sprache insgesamt etwa an Universitäten und in Banken durch das Englische verdrängt werde. "Das muss man sehr ernst nehmen", warnte Hoberg. Erstmals in der Geschichte der Menschheit existiere eine Sprache, die die ganze Welt dominiere, als globale Form der Verständigung aber auch wichtig sei. Hoberg sprach in diesem Zusammenhang von einem Spagat: "Wir müssen in der Schule lernen, wann wir Englisch benutzen und wann es sinnvoll ist, unsere Muttersprache oder andere Sprachen zu sprechen." Die Lehrpläne seien darauf allerdings nicht vorbereitet.

Gesetzliche Regelungen zu Sprachquoten wie etwa im französischen Radio lehnt Hoberg ab. "Die Franzosen sind aber klug genug und halten sich nicht dran." Auch einer Formulierung wie "Die Sprache der Deutschen ist Deutsch" im Grundgesetz kann der Experte nichts abgewinnen. Ein derartiger Passus in Österreich habe nichts gebracht. "Das Österreichische ist genauso vom Englischen überschwemmt wie das Deutsche." Er sei dafür, die traditionell liberale Sprachtradition in Deutschland zu pflegen. Experten könnten Ratschläge geben. "Ansonsten sollten wir die Entwicklung einfach laufen lassen."

Ohnehin sei der deutsche Sprachschatz so groß wie nie zuvor — "auch bei den Jugendlichen, die immer diffamiert werden, sie hätten einen geringeren Sprachschatz als Ältere". Das hänge mit der steigenden Zahl Gebildeter zusammen. "Ich gehöre zu einer Generation, in der acht Prozent der Schüler Abitur gemacht haben", bilanzierte der 77-Jährige: "Heute machen fast 50 Prozent Abitur."

Schon immer seien Wörter untergegangen, dafür seien allerdings erstaunlich viele neue hinzugekommen. "Goethe wäre froh gewesen, wenn er unseren Wortschatz gehabt hätte."

(EPD)
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