Die freie Szene zeigt sich

Nächste Woche wird das Impulse-Festival eröffnet. Es sind die wichtigsten Festspiele für unabhängige Theatergruppen in der Region.

Man sollte sich wohl auf einen unruhigen Abend einstellen, wenn man eine der Vorstellungen beim Impulse-Festival zu besuchen gedenkt. Ab dem 22. Juni wird wieder in Mülheim an der Ruhr und Düsseldorf Theater gemacht; Hauptspielort des städteübergreifenden Festivals ist in diesem Jahr Köln. Eingeladen wird zu fast 200 Veranstaltungen, und die allermeisten davon haben einen politischen Anspruch. Man wolle zeigen, was politisches Theater heute sein kann, bekundet denn auch Festivalleiter Florian Malzacher, und man möchte nun natürlich wissen, wie er das genau meint. Er spricht sodann über die Auseinandersetzung des Publikums mit dem Dargebotenen. "Das Theater unterscheidet von anderen Kunstformen, dass es immer ein Zusammenkommen von echten Menschen ist, die gemeinsam Dinge verhandeln", sagt Malzacher. Und: "Wir wollen kein Theater, das alles weiß, sondern gemeinsam mit den Zuschauern versuchen, etwas herauszufinden."

Man muss nun bei Impulse aber keine Scheu vor ständigem Mitmach-Programm haben, vielmehr fordert das Festival das Publikum heraus, sich zum Gezeigten zu verhalten, Positionen zu finden. "Wir leben in einer Zeit, in der viele fühlen, dass man sich verhalten muss, aber gleichzeitig merken, dass das gar nicht so einfach ist", sagt Malzacher. "Einerseits gibt es in der Gesellschaft das Gefühl, nicht genug gefragt zu werden, andererseits denkt man ja manchmal: Vielleicht sollte man besser gar nicht mehr abstimmen, wenn dann Trump und Brexit dabei rauskommen. Mit diesem Dilemma, das sicher viele nachvollziehen können, setzen sich viele Arbeiten im Festival auseinander."

"Decide or else" heißt darum das Motto des Festivals 2017 - Impulse gibt es übrigens schon seit 26 Jahren -, und eröffnet wird es mit einem großen Zauderer der Theatergeschichte: mit "Hamlet" (22. und 23. Juni) nämlich. Gezeigt wird im Kölner Schauspiel die Inszenierung des Schweizer Theatermachers Boris Nikitin, der Shakespeares Stück als Solo für Performer und Musiker Julian Meding auf die Bühne bringt. Sein oder nicht sein - das sei bei Nikitin keine Frage der Entscheidung mehr, sondern eine Spannung, die es auszuhalten gelte, kündigten die Festivalmacher an.

Veranstaltet wird das Impulse-Festival vom NRW-Kultursekretariat, einem Förderverbund der 21 größten Städte im Land. Das Festival gilt bundesweit als eine der wichtigsten Plattformen für freie, also unabhängige Theatermacher. Von rund 500 gesichteten Arbeiten wurden 15 Produktionen zu den zehntägigen Festspielen eingeladen, hinzu kommen 16 Zusatzangebote wie Workshops, Filmvorführungen und Konzerte. Der britische Künstler Richard Lowdon richtet an der Kölner Studiobühne ein Festivalzentrum im Stil eines englischen Pubs ein.

230 Künstler aus neun Nationen haben die Festivalmacher eingeladen. So hat sich etwa die Berliner Gruppe Monster Truck mit der Tanzkompanie The Footprints des nigerianischen Choreographen Segun Adefila zusammengetan. In ihrer Produktion "Sorry" (28. und 29. Juni) wollen sie sich Gedanken über Abhängigkeitsverhältnisse machen. Der Regisseur Milo Rau bringt mit "Five Easy Pieces" (30. Juni und 1. Juli) sein viel beachtetes Stück über den belgischen Kinderschänder und Mörder Marc Dutroux auf die Bühne. Rau bestreitet die Aufführungen ausschließlich mit Darstellern im Kindesalter. Im Mittelpunkt sollen jene stehen, die in der Berichterstattung über Dutroux in den Hintergrund gerieten, heißt es.

In der Düsseldorfer Kunsthalle möchte die rumänische Choreografin Alexandra Pirici die Dauer-Performance "Delicate instruments of engagement" zeigen (24. und 25. Juni sowie 29. Juni bis 1. Juli) und sich mit Gesten der Repräsentation und des Repräsentativen auseinandersetzen. Und im Mülheimer Ringlokschuppen wird tonnenweise Reis aufgeschüttet, jedes Korn soll einen Menschen repräsentieren. "Of all the people in all the world" heißt die performative Ausstellung (24. bis 29. Juni) der britischen Theatergruppe Stan's Cafe. Zu den Höhepunkten des Impulse-Festivals dürfte auch "Guilty Landscapes" des niederländischen Künstlers Dries Verhoeven gehören. An der Kölner Studiobühne wird er Besucher mit Bildern von Krisenherden konfrontieren. Begehbar ist seine Installation immer nur für eine Person. Die Plätze sind entsprechend rar (23. Juni bis 1. Juli) und, wie man hört, auch sehr begehrt.

(kl)
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