Halle/Saale Die gesunde Nahrungspyramide des Veganers

Halle/Saale · Für Fleisch-Fans und Käse-Liebhaber klingt vegane Ernährung oft nach Verzicht. Sie kann aber lecker und abwechslungsreich sein.

Der Durchschnittsdeutsche ist ein Fleischliebhaber: Er verzehrt im Schnitt 150 Gramm Fleisch und Wurst pro Tag. Da ist es kein Wunder, dass ein "Nein" zum Fleisch gelegentlich belächelt wird – auch wenn es hierzulande mittlerweile sechs Millionen Vegetarier gibt. Auf noch mehr Unverständnis stoßen Menschen, die auch auf Milch und Eier und alles, was daraus hergestellt wird, verzichten – sogenannte Veganer. "Es wird immer gleich an dürre, kränkliche Genussverweigerer gedacht. Dabei ist veganes Essen gesund und lecker", sagt Christian Vagedes.

Der 39-Jährige hat 2010 die Vegane Gesellschaft Deutschland in Berlin gegründet. Er lebt seit mehr als zehn Jahren vegan und ist weder abgemagert noch gesundheitlich angeschlagen. "Seit ich mich vegan ernähre, bin ich um einiges fitter. Außerdem habe ich das Gefühl, mein Immunsystem arbeitet besser, weil ich so kaum noch Erkältungen mehr habe", erzählt er. Seine Blutwerte und sein Nährstoffhaushalt, die er regelmäßig beim Arzt checken lasse, seien ebenfalls gut.

Tatsächlich sind es nicht nur überzeugte Veganer wie Vagedes, die tierproduktfreie Ernährung positiv beurteilen: "Es spricht absolut nichts dagegen, sich vegan zu ernähren. Wenn man auf eine ausgewogene Nährstoffzufuhr achtet, ist es sogar sehr gesund", erklärt Professor Johannes Wechsler, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner. So seien Veganer seltener übergewichtig und hätten durch ihre fett- und cholesterinarme Pflanzenkost ein geringeres Risiko, an Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck zu erkranken.

In diese Richtung weist auch eine Reihe von Studien: Wie die Attica-Studie der Universität Athen von 2005, die ergab, dass das Diabetesrisiko durch Fleisch und Vollmilchprodukte steigt, oder eine Harvard-Studie von 2008, in der sich ein Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Bluthochdruck zeigte. Nach Einschätzung der American Dietetic Association von 2009 beugt vegane Kost auch Nierensteinen und entzündlichen Darmerkrankungen vor und wirkt sich positiv auf Gelenkentzündungen aus. Möglicherweise hemmt sie auch die Entstehung von Krebs.

Einer der Gründe dafür ist der Fleischverzicht: "Besonders den Konsum von rotem Fleisch hat man in Studien als Risikofaktor für Krebs erkannt", erklärt Wechsler. Das Warum ist noch nicht eindeutig geklärt: Als mögliche Gründe gelten im Fleisch angereicherte Schadstoffe wie Dioxin und fleischeigene Stoffe wie der Blutfarbstoff Hämoglobin, der die Bildung schädlicher Stickstoffverbindungen verstärkt.

Als Krebshemmer gelten dagegen die in Obst und Gemüse reichlich vorhandenen Antioxidantien. "Das sind Stoffe, die die Zellen vor Schäden schützen und ihre Entartung verhindern. Und als Veganer nimmt man sie in besonders hohem Maße auf", erklärt Zehra Karadeniz vom Verband der Oecotrophologen. Das zeigte sich auch in der Deutschen Vegan Studie von 2005, die die Vor- und Nachteile veganer Kost untersuchte.

Voraussetzung für ein gesundes, veganes Leben ist, nicht einfach drauflos zu essen. "Wenn ich vegan lebe, aber nur Junkfood zu mir nehme, ist das natürlich nicht gesund. Man muss sich schon ausgewogen ernähren", betont Vagedes. Im Grunde heißt dies das Gleiche wie bei Nichtveganern: viel frisches Obst und Gemüse, damit der Vitalstoffhaushalt stimmt. Hochwertige Kohlenhydrate – aus Vollkorngetreide und Kartoffeln –, ungesättigte Fette und ausreichend Eiweiß. Das bekommen Veganer zum Beispiel aus Hülsenfrüchten und Soja.

Durch den Wegfall tierischer Nahrungsmittel können sich Defizite ergeben. Es kann zu einem Mangel an Eisen, Kalzium, Vitamin B12 und Vitamin D kommen. Kümmern sich Veganer nicht um Ausgleich, drohen chronische Müdigkeit bei fehlendem Eisen oder brüchige Knochen bei Kalziummangel.

Veganer sollten ihren Nährstoffstatus regelmäßig vom Arzt prüfen lassen. Besonders wichtig ist das bei Eisen und Vitamin B 12. Bei letzterem könnten Nahrungsergänzungsmittel nötig sein, da es in pflanzlichen Lebensmitteln nur wenig vorkommt. Mit dem nötigen Hintergrundwissen wird aus dem Nährstoffminus aber wieder ein Plus: "Man kann fast jeden Bedarf komplett über pflanzliche Lebensmittel decken. Zum Beispiel kriegt man Eisen aus Nüssen und Vollgetreide und Kalzium aus dunkelgrünem Gemüse wie Rucola und Sojaprodukten", erläutert Oecotrophologin Karadeniz.

Oft geht es aber nicht allein darum, einen Nährstoffausgleich zu schaffen, sondern um pflanzliche Alternativen zu bestimmten tierischen Produkten. Während das vor einem Jahrzehnt oft schwierig war, wenn es nicht gerade um den Butterersatz Margarine ging, ist das heute anders. Es gibt Milch aus Soja oder Getreide, Tofusteaks und Tofuwürste und zahlreiche vegane Käsesorten. Auch wer ein fertiges Produkt wie Brot oder Pizza in der tierfreien Variante sucht, wird fündig.

(dpa)
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