Plastikschwemme Die Meere ersticken im Müll

Experten schlagen Alarm. Die Wegwerfgesellschaft überschwemmt die Meere weltweit mit Müll. Die Folgen: drastisch. Die winzigen Plastikpartikel werden erst von Meerestieren verschluckt - und landen oftmals über den Speiseteller im menschlichen Körper. Das Umweltbundesamt fordert am Rande einer Konferenz Konsequenzen: Eine Zwangsabgabe auf Plastiktüten soll her. Der Umweltminister ist dagegen.

 Schätzungen gehen davon aus, dass sich mittlerweile zwischen 100 und 142 Millionen Tonnen Müll in den Meeren befinden.

Schätzungen gehen davon aus, dass sich mittlerweile zwischen 100 und 142 Millionen Tonnen Müll in den Meeren befinden.

Foto: PlastikmüllSabina Bredemeier marine-litter-conference-berlin

Eine internationale Konferenz in Berlin widmete sich für drei Tage der Müllflut in den Weltmeeren. Das Problem ist global, gewaltig und betrifft uns alle. Für Aufsehen sorgte am Donnerstag jedoch erst Jochen Flasbarth vom Bundesumweltamt. Er forderte eine Zwangsabgabe auf Plastiktüten. Nach Ansicht von Umweltschützern machen sie einen Großteil des Plastikmülls in den Weltmeeren aus.

Von hier zum Mond und halb zurück

"Das ist ein Güterzug vollgepackt mit Meeresmüll von hier zum Mond und halb zurück", versucht der UBA-Präsident die Menge von bis zu 142 Millionen Tonnen Müll in den Weltmeeren zu veranschaulichen. Tüten, Fischernetze und alles, was so auf Schiffen über Bord geworfen wird, treibt auf hoher See. Ein immer größeres Problem sind die Mikroplastikartikel.

Das größte Problem sind die besonderen Eigenschaften von Plastik: Es hat eine sehr lange Abbauzeit und zersetzt sich immer weiter in immer kleinere Teilchen. Kopfschmerzen bereiten Umweltschützern auch Kosmetikprodukte, Duschbäder und Zahncremes, die winzige Kunststoffkügelchen für eine bessere Reinigungswirkung enthalten. Sie können über das Abwasser in die Meere gelangen, da Kläranlagen diese Stoffe nicht rausfiltern können. Auch bei Fleece-Pullis gelangen beim Waschgang Kunststofffasern oft in die Umwelt, auch sie werden in Kläranlagen nicht herausgefiltert.

Altmaier hält nichts von einer Zwangsabgabe

An diesem Freitag endete die UN-Konferenz in Berlin. Auch vor Ort: Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Zum Abschluss der Tagung versprach er, künftig verstärkt gegen die Vermüllung vorgehen zu wollen. "Müllteppiche unvorstellbaren Ausmaßes auf den Ozeanen sind ein klarer Beweis dafür, dass wir diese Bedrohung bisher nicht ernst genug genommen haben", sagt Altmaier.

Die Idee einer Plastiktütensteuer oder sogar eines Verbots lehnt er jedoch er ab. Mit Blick auf die hohe Menge an Plastikmüll in vielen EU-Ländern, der über die Flüsse auch in die Meere gelangt, sagte er: "Ich bin sehr dafür, die Recyclingquote zu erhöhen". Altmaier räumte ein, dass 80 Prozent des Meeresmülls nicht von Schiffen, sondern von Land stammten. Es müsse auch auf EU-Ebene geschaut werden, was hier getan werden könne.

Die EU-Kommission kann sich wie das Umweltbundesamt vorstellen, dass Tüten nicht mehr kostenlos abgegeben werden dürfen. Es gibt Beispiele, die zeigen, dass eine solche Verteuerung durchaus den gewünschten Effekt herbeiführen kann: So verringerte sich in Irland, wo 44 Cent je Tüte erhoben werden, die Tütenanzahl pro Kopf und Jahr von 328 auf 18 Tüten. Zum Vergleich: In Deutschland verwenden wir pro Kopf pro Jahr 71. In Bulgarien sind es 421 Stück, der EU-Schnitt liegt bei 198 Tüten.

Deutschland steht noch gut da

Hierzulande ist über Abwässer und Flüsse in die Meere gelangter Plastikmüll ein kleineres Problem im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Denn in Deutschland wird fast der gesamte Plastikmüll einem hochwertigen Entsorgungssystem und Recycling zugeführt. Daher sieht Altmaier vor allem in anderen Ländern ein Potential zur Verbesserung der Lage, beispielsweise durch eine Modernisierung der Abfallwirtschaft und mehr Mülltrennung.

Während Politik und Experten beraten, wird der Handlungsdruck größer. Nach Angaben des UN-Umweltprogramms treiben 13.000 Plastikpartikel auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche - durch Strömungen werden diese weltweit verteilt. In der Nordsee wird der Plastikanteil am Meeresmüll auf 75 Prozent geschätzt. Es gibt Übereinkommen wie die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), um die Meeresvermüllung zu reduzieren - aber bisher ist vieles eher vage und unverbindlich.

Das Problem liegt am Land

Primär geht es im Kern um eine grundsätzliche Reduzierung des Plastikmülls an sich - als Zeichen auch an andere Staaten, die weit weniger sorgsam mit Plastikmüll umgehen. Es wird geschätzt, dass rund 80 Prozent des Meeresmülls von der Landseite kommen, laut UBA vor allem über Flüsse oder "über große küstennahe Mülldeponien beispielsweise im Mittelmeerraum".

Der Naturschutzbund (NABU) hat außerdem das Projekt "Meere ohne Plastik" ins Leben gerufen - es soll die fachgerechte Entsorgung von Müll unterstützen, den Fischer in ihren Netzen einsammeln. NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff betont zugleich: "Global gesehen, ist es nur Kosmetik." Man müsse das Problem vom Land her bekämpfen, durch mehr Recycling, Mülltrennung - und weniger Tüten. Umweltexperten schlagen vor, ein europaweites Ziel zur Reduzierung festzulegen - ähnlich wie beim Treibhausgasausstoß

(dpa/pst/csi)
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