Düsseldorf Die Rückkehr des Weltraumschrotts

Düsseldorf · Am Freitag wird ein unbekanntes Flugobjekt in den Indischen Ozean stürzen. Es könnte von einer früheren Mond-Mission stammen. Das Rätselraten zeigt auch, wie wenig über den Weltraummüll bekannt ist, der die Erde umkreist.

Die Gefahr ist nur von kurzer Dauer und wird sich durch einen Feuerzauber zeigen. Am Freitag können die Menschen in Sri Lanka kurz vor 12 Uhr Ortszeit Zeuge eines seltenen Schauspiels werden. Ein unbekanntes Flugobjekt aus dem Weltall mit dem Namen WT1190F stürzt etwa 60 Kilometer von der Insel entfernt in den Indischen Ozean. Dabei wird es durch die Reibung in der Erdatmosphäre größtenteils verglühen. Sollten einige Trümmer den hitzigen Absturz bis zum Erdboden überstehen, so landen sie nach den Berechnungen der Wissenschaftler mit ziemlicher Sicherheit im Meer.

Im Februar 2013 wurde das Objekt vom "Catalina Sky Survey" erstmals entdeckt. Dieses wissenschaftliche Projekt an der US-Universität Arizona in Tuscon sucht routinemäßig nach Asteroiden und anderen Himmelskörpern, die auf der Erde einschlagen könnten. Die Astronomen vermuten, dass es sich bei WT1190F um Weltraumschrott handelt. Das Objekt misst vermutlich mehrere Meter - die Schätzungen der Forscher variieren zwischen einem und sechs Metern Durchmesser. Eine genaue Messung der Größe ist aber nicht möglich. Auch die Form des Objekts kann nicht genau bestimmt werden. Aus anderen Daten wissen die US-Forscher aber, dass WT1190F nur wenig wiegt.

Ein Leichtgewicht in dieser Größenordnung - das passt nicht zu den üblichen Himmelskörpern, die als Felsbrocken auf der Erde einschlagen. Deshalb vermuten die Forscher, dass das unbekannte Flugobjekt hohl sein könnte und wohl durch Menschenhand entstand: eine ausgebrannte Raketenstufe beispielsweise oder ein Solarpanel aus der Energieversorgung von Satelliten. Doch von welcher Mission genau das Teil stammen könnte, weiß niemand. Es gibt Spekulationen, dass WT1190F ein Rückkehrer einer der Mond-Missionen aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sein könnte. Die Astronomen haben 2003 ein anderes Objekt beobachtet, das sie als dritte Stufe der Saturn-Rakete bei der Apollo-12-Mission erkannten. Wichtigstes Indiz war das Titandioxid auf der Oberfläche: Es ist Bestandteil der weißen Farbe, mit der die Rakete gestrichen worden war.

Das Rätselraten zeigt, wie wenig über den Weltraumschrott bekannt ist, der die Erde umkreist. Dabei sind fliegende Trümmerteile längst zu einem Problem geworden. Das Space Surveillance Network des US-Militärs vermeldet offiziell 16.674 Objekte, die größer als zehn Zentimeter sind. Seit Beginn der Raumfahrt gab es über 5000 Raketenstarts. Altersschwache oder defekte Satelliten kreisen noch viele Jahre um die Erde, ehe sie abstürzen, in der Atmosphäre verglühen, in den Ozean oder auf Land stürzen. Und der Weltraumschrott vermehrt sich selbst: Wenn die ausgemusterten Flugobjekte mit größeren Weltraumtrümmern zusammenstoßen, entstehen wie in einer Kettenreaktion hunderte neue Trümmerteile. Die Internationale Raumstation ISS verändert häufig den Kurs, damit sie nicht von diesen Hindernissen getroffen wird, wie es im Hollywood-Film "Gravity" beschrieben wird. Auch Satelliten, die für die Infrastruktur wichtig sind, müssen einer Kollision ausweichen. Sie würden einen Zusammenstoß nicht überstehen. Davon gibt es viele: Telekommunikation, Internet, Navigationssysteme und Wetterprognosen auf der Erde funktionieren nur dank Hilfe aus dem All.

Erst im Mai 2015 drang der Raumfrachter Progress in die Erdatmosphäre ein. Er verglühte fast vollständig. Experten haben berechnet, dass jeden Tag ein Schrottteil mit einer Größe von mehr als zehn Zentimetern in die Erdatmosphäre eintritt. Jede Woche stürzt ein Stück ab, das größer als ein Meter ist. Bisher sind keine Fälle bekannt, bei denen Menschen verletzt wurden, selbst wenn der Schrott nicht vollständig verglühte und Reste die Erde erreichten. Die spektakulärste Aktion dieser Art war der kontrollierte Absturz der russischen Raumstation Mir. Etwa 1500 Trümmer mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen regneten am 23. März 2001 südlich der Fidschi-Inseln vom Himmel nieder.

Im Falle von WT1190F werden die Forscher jede Sekunde des Absturzes verfolgen. Denn während das noch unbekannte Objekt verglüht, wird es farbiges Licht aussenden, das Informationen über seine Zusammensetzung liefert. Vielleicht lässt sich WT1190F dadurch identifizieren. Sicher ist das nicht, denn noch immer unterliegen die Weltraum-Missionen mit militärischen Zielen einer strikten Geheimhaltung. Vielleicht ist das Leichtgewicht aus dem Weltall auch nicht menschlichen Ursprungs. Das wäre dann die größte Überraschung.

(RP)
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