Millionen Tonnen japanische Tsunami-Trümmer Die unkontrollierbare Gefahr im Pazifik

Paris · Häusertrümmer, Plastikmüll, Holzplanken, Metallcontainer, Fischernetze und sogar ganze Bootsanlegestellen oder Schiffe: Zwei Jahre nach der Tsunami-Katastrophe in Japan verschmutzen noch Millionen Tonnen Treibgut den Pazifik und werden inzwischen auch an den Küsten der USA und Kanadas angespült.

11. März: Tsunamis überrollen Japans Küsten
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Anwohner, Küstenwache, Umweltschützer und Wissenschaftler sind alarmiert. Denn niemand hat einen Überblick, wo sich die Trümmer genau befinden, die für Mensch und Tier gefährlich sein können. Ein rund 60 Meter langes Fischerboot, das nach dem Erdbeben und dem darauffolgenden Tsunami vom 11. März 2011 in Japan aufs Meer hinausgerissen worden war, versenkte die US-Küstenwache vergangenes Jahr vor Alaska. Die US-Behörden fürchteten, der unbemannte Schrott-Kahn könnte mit anderen Schiffen kollidieren.

Als bisher größte Trümmerteile wurden an der US-Küste zwei ganze Bootsanleger aus Beton, Stahlstangen und einer Styropor-Füllung angeschwemmt. Einer von ihnen - 20 Meter lang, sechs Meter breit und zwei Meter hoch - wurde an einem Strand des westlichen US-Bundesstaates Oregon gesichtet: "Es ist irgendwie beängstigend, so etwas zu sehen, weil wir alle surfen", sagte Kirk Tite, der mit seinem kleinen Sohn Trevor dort spazierenging. "Wenn so etwas Großes den Pazifischen Ozean überquert hat, heißt das, dass Dinge aus unseren schlimmsten Alpträumen den Pazifik überqueren können."

Fünf Millionen Tonnen Trümmer im Meer

Rund fünf Millionen Tonnen Gebäudetrümmer, Autos, Haushaltswaren und anderer Müll wurden in Japan durch den Tsunami vom Meer fortgerissen. Rund 3,5 Millionen Tonnen gingen nach Schätzungen der japanischen Behörden sofort im Meer unter. Doch 1,5 Millionen Tonnen wurden in den Pazifik hinausgeschwemmt. "Mit einem einzigen Schlag wurde durch den Tsunami 3200 Mal der Müll in den Pazifik gekippt, den Japan sonst jährlich in dem Meer ablädt", erklärte die Umweltschutzorganisation Robin Wood.

Für Jahre und womöglich Jahrzehnte werden die japanischen Trümmerteile nicht nur eine Gefahr für die Schifffahrt sein, sondern auch für Meeressäugetiere, Schildkröten oder Vögel. Plastik-Kleinstteile können verschluckt, fremde Pflanzen- oder Tierarten in andere Gewässer getrieben werden. So musste einer der Bootsanleger in den USA mit Bleichmittel gereinigt werden, weil an ihm dutzende fremder Algen- und Klettenarten klebten.

Anders als anfänglich gedacht, werden die Tsunami-Trümmer nicht massenhaft an Land gespült. Daten der US-Meeresbehörden zeigen, "dass die Trümmer nicht mehr in einer Menge oder an einem Fleck sind", sagt Regionalkoordinatorin Sherry Lippiatt in Kalifornien. "Sie haben sich eher in den Weiten des Nordpazifik verteilt."

Sichtungen von vorbeifahrenden Schiffen oder Fischern deuten ebenso wie Computersimulationen darauf hin, dass sich der Großteil der langsamer vorankommenden Trümmerteile nördlich und östlich von Hawaii befindet.

Trümmer-Strudel im Pazifik

Simon Boxall vom britischen Zentrum für Ozeankunde verweist auf eine bestehende, kreisförmige Strömung im Nordpazifik. "Sie steuert über den Pazifik Richtung Nordamerika, verläuft die kalifornische Küste entlang und kommt dann nach sechs oder sieben Jahren wieder zurück nach Japan." Er geht davon aus, dass die meisten Trümmer dem Wirbel folgen oder womöglich in dessen Zentrum gefangen sind. "Manche könnten die nächsten 30, 40 Jahre dort bleiben." Trümmer am nördlichen Rand des Strudels würden sich eher lösen und an US-Küsten landen.

Strandspaziergänger in Nordamerika könnten also noch über Jahre immer wieder über Trümmer aus Japan stolpern, die oft auch an die tragischen Schicksale erinnern, die mit der Tsunami-Katastrophe verbunden sind. So wurde in Kanada vergangenes Jahr ein Harley-Davidson-Motorrad mit japanischem Kennzeichen in einem Container angespült. Und im US-Bundesstaat Alaska fand ein Strandgutsammler einen Fußball und einen Volleyball aus Japan. Die Besitzer beider Bälle hatten die Katastrophe überlebt und konnten ausfindig gemacht werden.

(AFP/felt)
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